NEUE SUCHEINDEXSUCHEEMPFEHLUNGENFACHGEBIETEFERNLEIHEHILFE
/

Mai/Juni 2013 Sondersammlungen

Spätbarocke Schönschreibkunst

 

 

In der Handschriftensammlung der Vorarlberger Landesbibliothek befindet sich eine sowohl in ihrem Umfang als auch in ihrer ästhetischen Gestaltung beachtenswerte Sammlung von spätbarocken Gebetbuchhandschriften des späten 18. und frühen 19. Jahrhunderts. Zwei Drittel der etwa 70 Handschriften stammen aus dem Bregenzerwald, der auf diesem Gebiet eine herausragende Rolle spielte.

Die durchwegs katholischen Gebetbücher, deren Texte im Wesentlichen auf die in der barocken Frömmigkeitswelle weit verbreiteten, gedruckten Erbauungsbücher zurückgehen, beeindrucken durch ihre kalligraphische Ausgestaltung und die zahlreichen Verzierungen mittels Aquarellminiaturen oder Tuschzeichnungen. Sie sind Zeugen einer volkstümlichen Schönschreibkunst, stammen sie doch vorwiegend aus der Hand von Lehrern, Bauern und Handwerkern, auch von Frauen und zuweilen gar von Kindern.

Als Schreibwerkzeug diente meist ein Gänse- oder Schwanenkiel, als Beschreibmaterial fast ausschließlich Papier, auf das mit Tinte, Tusche oder Aquarellfarben geschrieben und gemalt wurde. Dabei galt es darauf zu achten, den Planbogen so zu beschreiben – bei dem für Gebetbüchern üblichen Oktavformat befinden sich je acht Seiten auf Vorder- und Rückseite des Bogens –, dass jede Schriftseite nach dem Falten richtig platziert war. Erst danach kamen die noch losen Bogen zum Buchbinder.

Dort wurden die Bogen gefaltet, fadengeheftet, gepresst, geleimt und beschnitten, sodann in Leder, selten in Pappe gebunden. Meist weisen die Ledereinbände prachtvolle Gold- oder Blindprägungen auf Deckeln und Rücken sowie Goldschnitt auf allen Schnittflächen auf und sind mit geschmackvollen gekleisterten Vorsatzpapiere ausgestattet.

Diese Zeugnisse ländlichen Schrifttums entstanden wohl aus einer tiefen Volksfrömmigkeit heraus, aus einem alle Daseinsbereiche umschließenden Glaubens- und Gebetsleben und aus einer im Bewusstsein der bäuerlichen Landbevölkerung ruhenden lustvollen Ausdrucksfreude. In jedem Fall lässt sich erkennen, dass die Religiosität der bäuerlichen Bevölkerung bis tief ins 19. Jahrhundert hinein im barocken Gebetsleben wurzelte.

Ausserlesenes. Schönes bett- und Leße Büchlein,
worin Morgen, Abend, meß, Beicht, Comunion, Ablaß und andere Gebetter darin enthalten, aus mehreren Büchern zusammen gefügt. Egg 1807

Deutsche Handschrift auf Papier; [1] Bl., 143 num. S., [2] Bl., 8°.
Mit illustriertem Titel, 6 ganz- und 5 halbseitigen Miniaturen sowie zahlreichen Bordüren, Vignetten und anderen Buchschmuck-Elementen.
Schwarzer, strukturgeprägter Kalbsledereinband der Zeit mit goldgeprägten Deckelbordüren, Rückenvergoldung und dreiseitigem Goldschnitt.

Besitzvermerk auf dem hinteren Vorsatzblatt
Egg, den 23ten Julij 1839. Jak. M. Bitter


 

Die ganzseitige Miniatur auf der Versoseite des Titelblattes [links] zeigt eine Malerpalette mit mehreren Pinseln, Rötelkreide, Griffel und Zirkel und ist wohl als „Signatur” des Künstlers zu sehen, der das Gebetbuch ausgestaltet hat, vielleicht aber auch als Hommage an die im Jahr der Entstehung des Gebetbuches in Rom verstorbene Malerin Angelika Kauffmann (1741-1807).

Die Kapitelanfänge – wie hier zum Text für das Morgengebet [rechts] – sind in Zierfraktur mit hübschem Federwerk und kleinen Zeichnungen geschrieben, außergewöhnlich fein gemalte Miniaturen begleiten die Gebete für alle Lebenssituationen.
Beim „Morgengebett” begrüßt ein nackter Knabe mit Gebetbuch zur linken Seite zusammen mit einem Gockelhahn die aufsteigende Sonne.

Gebetbuch
[Morgen-, Meß-, Vesper-, Buß- und Beicht-, Communion-Gebetter sowie Lauretanische Litaney zu Erlangen eines seeligen Todt]. Dornbirn 1798.

Deutsche Handschrift auf Papier; [78] Bl., 8°.
Ohne Titel in schwarzbrauner Tinte geschrieben, Kapitelüberschriften und Bordüren in rot.
Dunkelbrauner, geglätteter Kalbsledereinband der Zeit mit (nur noch in Ansätzen erkennbaren) goldgeprägten Deckelbordüren, Rückenvergoldung und dreiseitigem Goldschnitt; farbig gemustertes Vorsatzpapier.

Eintrag auf Vorsatzblatt
Dieses Buch hat mein Vatter Geschriben. Caspar Ölz Gerber in Haselstauden ist Sein Sohn. 1878 den 20. Oktober


 

Eintrag auf der Rückseite des leeren Titelblattes (fol. 1v)
Deß 1798 Jahrs
Dieses Büchle gehört Mir Johan Georg Öltz in Doren Bieren ist Mein Vater Land. Wer mir dieses Büchle niemt der ist Ein Dieb wer mir abber wider brienget der ist Mir Lieb. Haselstauden

OK ✓

Diese Website verwendet Cookies. Durch die Nutzung dieser Webseite erklären Sie sich damit einverstanden, dass Cookies gesetzt werden. Datenschutzhinweis