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VLB BLOG - Mai 2014

 

Etwas Geliebtes verloren habend

28. Mai 2014 von Wolfgang Köhle

 

Im 16. Jahrhundert war Portugal eines der wichtigsten Länder der Welt, hatte beinahe ganz Afrika, Brasilien und Indien unter seiner Herrschaft, dann aber alles verloren. Saudade ist die portugiesische Form des Weltschmerzes, das wehmütig-sehnsüchtige Gefühl nach dieser Zeit der Seefahrerei, herbeigesehnt im Fado, dem portugiesischen Chanson. Das Fernweh und unerfüllte Verlangen zur Melancholie prägte auch jene Menschen, die Portugal während der Diktatur verließen. Diese Grundstimmung der Traurigkeit ist zweifellos im preisgekrönten Debüt Wohin der Wind uns weht von Joao Ricardo Pedro enthalten. Ein Roman, der die drei Generationen umspannenden Schönheiten und Widrigkeiten des Lebens beschreibt.

 

Der Tag des Radrennens
„Es war August und nicht nur die Tiere, sondern auch die Bäume und Häuser bedienten sich der unterschiedlichsten Strategien, um die unerträgliche Hitze auszuhalten. Die brennende Zigarre im Mund, auf dem Kopf ein Strohhut, erwartete Doktor Augusto Mendes mit fast jugendlicher Begeisterung – die nicht nur im Widerspruch zu seinem Alter, seinem Gewicht, seiner Größe und gesellschaftlicher Stellung, sondern insbesondere auch zu den hohen Temperaturen stand – das Fahrerfeld der Portugal-Rundfahrt. Mit einer Begeisterung, die sich Jahr für Jahr erneuerte und ausgiebig mit Limonade begossen wurde, seit sich der sturzbetrunkene Laurau in dem Versuch, ein Ausreißen zu vereiteln, das Firminos gelbes Trikot gefährdet hätte, auf die Straße geworfen hatte und dabei nicht nur scheiterte, sondern auch noch von einem Begleitmotorrad überfahren wurde und für den Reste seines Lebens gelähmte Beine hatte.”

Frankfurt/Main Suhrkamp 2014

Frankfurt/Main Suhrkamp 2014

Es ist gar nicht leicht so schön zu sein, wie man aussieht

23. Mai 2014 von Wolfgang Köhle

 

Ein Mann muss nicht schön sein – aber er kann, wenn er will.
Weise Männer kümmern sich lieber um die langfristige Schönheit der Frauen:
Je länger er sie kennt, desto mehr liebt er sie, je mehr er sie liebt, desto schöner findet er sie.
Weil: Jede Frau, die geliebt wird, ist schön.
Nur Frauen, die lieben, sind noch schöner.

 

Eine philosophische Gebrauchsanweisung für das Schöne:
Schön! : schön sein, schön scheinen, schön leben

 

„Wenn wir uns verführen lassen, Schein mit Sein, Unecht mit Echt, Geste mit Geist zu verwechseln, bleiben uns die Tiefendimensionen des Schönen verschlossen. Diese Welt ist nicht nur nicht perfekt. Sie ist nie so wie sie sein sollte. Schönheit hat die Macht, aus dem Chaos unseres Planeten einen Kosmos zu machen, eine geordnete, sinnvolle Welt – ein menschliches Grundbedürfnis. Der Wunsch gut auszusehen, und die Sehnsucht, ein gutes Leben zu haben, hängen untrennbar zusammen.

München Ludwig 2013

München Ludwig 2013

Schönheit ist schließlich viel mehr als die Abwesenheit von körperlichen Mängeln. Schönheit ist immer auch ein Versprechen von Glück. Wir hoffen, ein besseres Leben zu haben, indem wir uns um unser Äußeres sorgen.”

 

Schön und gut, aber apropos Liebe macht schön:
„Es wohnte zu Padua ein Weib, bös von Seele, schön von Leib.”
Meint jedenfalls Wilhelm Busch, was selbst die weisesten Männer bekümmert.

Jenseits des gesunden Menschenverstandes

20. Mai 2014 von Wolfgang Köhle

 

Der gesunde Menschenverstand erscheint uns so natürlich, dass wir ihn erst bemerken, wenn er fehlt – nicht uns natürlich: Immer nur die anderen werden vom gesunden Menschenverstand in die Irre geführt. Dabei unterscheidet sich unser (gesunder) Menschenverstand nicht allzu sehr von den Mythen unserer Vorfahren. Die Wahrscheinlichkeit, dass wir mit all unseren Vorstellungen Recht haben, ist gleich null. Rational betrachtet glauben wir, wir wüssten mehr, als wir wissen. Unser Instinkt drängt uns zu verstehen, dass die Vernunft kein Synonym von Verstand ist. Allein der der Otto-Normal-Verstand reicht nicht aus, das zu begreifen.
„Wir täuschen uns nicht nur bei der Einschätzung des Verhaltens von Individuen. Wenn wir das Verhalten von Gruppen verstehen wollen, liegen wir mit unserem gesunden Menschenverstand oft noch weiter daneben. Der dritte Denkfehler ist, dass wir aus der Geschichte weniger lernen, als wir oft annehmen.”
Der gesunde Menschenverstand mag uns bei der Bewältigung alltäglicher Herausforderungen helfen. Bei den Problemen der Physik, besonders bei der Quantenphysik, streckt er die Waffen. Aber erst bei komplexen sozialen Herausforderungen wie Kultur, Wirtschaft, Politik werden die Schwächen des Menschenverstands offensichtlich.

 

Der Autor, promovierter Physiker und Soziologe: „Wenn dieses Buch sie also in all ihren Annahmen bestätigt, dann bitte ich Sie um Entschuldigung, denn dann habe ich als Soziologe versagt.”

 

Alles ist offensichtlich – sobald man die Antwort kennt

 

Dem gesunden Menschenverstand wohnt Unvernunft inne. Ein Grund, ihn mal zur Abwechslung abzuschalten?

Willkommen im Jammerlappenland

15. Mai 2014 von Wolfgang Köhle

 

Die schlechte Nachricht für alle Problem-Erfinder, -Magneten, -Verliebten, -Vermeider, -Verweigerer, -Schaffer und andere Problem-Bären:
Die ER-LÖSUNG ist da!


Ich habe keine Lösung, aber ich bewundere das Problem

 

Provokatives Coaching für Problemlösung im Berufsalltag:

 

Wenn das die Lösung ist, will ich sofort das Problem zurück.
Warum ein Problem lösen, wenn dadurch ein neues entsteht?
Positives Denken ist was für Feiglinge.
Sie haben kein Problem, sie sind das Problem.
Für manche ist das Problem schon die Lösung.
Talente finden Lösungen, Genies entdecken Probleme.
Wenn jemand ein Problem mit mir hat, kann er es gerne haben, es ist ja seins.
Große Probleme sollte man nie in Angriff nehmen, solange sie noch klein sind.
Wenn sie ein Problem haben, das sie nicht lösen können, suchen sie sich einfach ein neues.
Es gibt Leute, die haben die Lösung, bevor das Problem da ist.

 

Dazu Stalin: „Ein Mensch ein Problem, kein Mensch kein Problem.”

München Kösel 2013

München Kösel 2013

Meiden sie Buchhandlungen und Bibliotheken, solang Sie noch jung sind!

12. Mai 2014 von Wolfgang Köhle

 

Die hohe Schule der Schreibkunst: Äußerst akribische Recherche, vollendete Sprachführung und abgründiger Humor. Wer intellektuell und sprachlich verzaubert und erzählerisch unterhalten werden will, der kommt bei Hermann Burger mit seinen an Leib und Seele erkrankten Wortkünstlern voll auf die Kosten.

 

Aus der Erzählung Der Büchernarr, in der sich zwei Lesesaal-Nachbarn in einer Pause unterhalten:
„Verzeihen sie, dass ich ihnen widerspreche! Büchernarren sind nicht diejenigen, die den Narren an den Büchern gefressen haben, sondern das sind Narren, die sich von den Büchern fressen lassen. Ja, mein Herr, die unschuldige Literatur kann sich in ein menschenfressendes Raubtier verwandeln. Sie sind auch einer von denen, die freiwillig Tag für Tag ihrem Leben davonlaufen, in die Bibliothek, und nicht merken, dass sie in die Falle gehen. Meiden sie Buchhandlungen und Bibliotheken, solang Sie noch jung sind. Verschenken Sie ihre Bücher, bevor Ihnen Ihre Sammlung über den Kopf wächst. Gehen Sie hausieren damit! Was sind Sie von Beruf, wenn ich fragen darf?”
„Ich bin Philologe.”
„Also doch. Einer von den ganz Schlimmen, die sich sogar berufshalber von den Büchern umbringen lassen.”

Zürich Nagel u. Kimche 2014

Zürich Nagel u. Kimche 2014

 

Aus dem Tractatus logico-suicidalis, der Countdown seiner Friedhofsschwerkraft, seines Todestriebes, der mit dem Wort „Finis” endet:
„Gegeben ist der Tod, bitte finden Sie die Lebensursache heraus.”

 

Hermann Burger. Werke in acht Bänden

Wer löffelt die Ursuppe aus? - Anhang

8. Mai 2014 von Mirella Sprenger

 

Wer löffelt die Ursuppe aus? ...wow, mal etwas Naturwissenschaftliches von Wolfgang!? ...leider nein, ich sollte meinen sehr geschätzten Kollegen (nicht ironisch gemeint!) nach über 20 Jahren eigentlich besser kennen! ;-)
Für diejenigen, die sich ebenfalls wie ich einen Buchtipp aus dem 3. Obergeschoss (Biologie, Physik, Chemie, Medizin etc.) erhofft haben, hier meine Empfehlung zum Thema Ursuppe...Urknall, Urerde, Uratmopshäre, Urozean, Urkontinente, Urmensch.

 

Die kürzeste Geschichte allen Lebens: eine Reportage über 13,7 Milliarden Jahre Werden und Vergehen

 

Bleibt die Frage: Wer hat uns (bzw. unseren Ur-Ur-Ur-Enkeln) die Ursuppe eingebrockt, die wir uns gerade selbst versalzen? Und warum?

München (u.a.) Piper 2008

München (u.a.) Piper 2008

Wer löffelt die Ursuppe aus?

6. Mai 2014 von Wolfgang Köhle

 

Volksetymologisch nahe liegende Ursprünge richtig gestellt:

 

Ursprung kommt nicht von Ur-Sprung, sondern von er-(ent-)springen.
Urkunde kommt nicht von Ur-Kunde, sondern von erkennen.
Urlaub meint nicht das Ur-Laub, sondern kommt von er-lauben.
Das Urteil leitet sich ab von erteilen.

 

„Oh daß wir unsere Urahnen wären
Ein Klümpchen Schleim in einem warmen Moor”

 

Mit der Sehnsucht nach Geborgenheit im Urschleim beginnt ein Gedicht von Gottfried Benn.
Mit dem Präfix „UR” bietet die deutsche Sprache Wortbildungen an, die in anderen Sprachen nicht zur Verfügung stehen: Urform, Urgeschichte, Urszene, Urwald, Urkirche, urig, urdeutsch, Urpflanze, Urknall, Urgestein, Urzustand, usw.

Paderborn Fink 2012

Paderborn Fink 2012

 

Mehr über Urwörter offenbaren urgescheite Urheber im urguten Werk: Urworte. Zur Geschichte und Funktion erstbegründender Begriffe.

 

Jeder von uns hat Eltern, Großeltern, Urgroßeltern, Ur-Urgroßeltern und so weiter. Es leuchtet ein, dass wir „ab irgendwo” von den selben Urahnen, von der selben Urhorde abstammen.
Urkomisch, dass wir uns für die Ursache vom Ursprung aus dem Urschlamm, für das Urei aus dem mythischen Urschoß interessieren, und nicht für die Urangst unserer Ur-Ur-Ur-Enkel, die die Ursuppe auslöffeln müssen.

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