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VLB BLOG - April 2015

 

Filter

30. April 2015 von Wolfgang Köhle

 

Man soll nicht alles glauben was man hört, liest, denkt und glaubt. Aber wie unterscheidet man Pseudoinformation von richtigem Wissen? Mit Hilfe der klassischen Filter: Herausgeber, Verleger, Buchhändler und Bibliothekare. Oder anhand der Qualität der Sprache, z.B. der Wissenschaftssprache.

„Ein guter wissenschaftlicher Text ist ein Filter. Weil alle Beteiligten nur wenig Zeit zum Lesen haben, setzten sich im Netz diejenigen Formate durch, die Übersicht verschaffen. Sie lassen das, worum es nicht geht, einfach weg. In der Sprache der Ökonomen ausgedrückt: Sie reduzieren die Informationsgewinnungskosten ihrer Benutzer.”
Wissenschaftssprache digital : die Zukunft von gestern

Aber Vorsicht vor dem Luder der déformation professionnelle: „Der Mensch, wenn er dauernd mit einer wissenschaftlichen Terminologie umgeht, wird schließlich sprachlos im Verkehre mit sich selbst: er kann sich da nicht mehr verständlich machen und wird von seinem eigenen Ich auch nicht mehr verstanden; dieses ist so nicht ansprechbar.”

Aus Wasserfällen von Slunj, von Heimito von  Doderer

Konstanz Konstanz Univ. Pr. 2014

Konstanz Konstanz Univ. Pr. 2014

Gonzo

28. April 2015 von Wolfgang Köhle

 

Die Fiktion ist sehr viel wahrer als jede Art von Journalismus. Darauf  baut eine Form der Reportage auf: Der Gonzo-Stil. Begründet und vervollkommnet von Hunter S. Thompson.

Seine Art, das Leben auf sich zukommen zu lassen, war, ist und bleibt den meisten Sterblichen fremd. Sein Lebensstil: Chaos verbreiten, um seine hochtrabenden Pläne zu untergraben, Selbstzerstörung kultivieren.

„Lass uns die Gläser erheben auf die animalischen Freunde, auf Eskapismus, Regen auf dem Dach und Instantkaffee, auf die Arbeitslosenversicherung und auf Bibliotheksausweise, auf Absinth und großherzige Vermieter, auf Musik und warme Körper und Verhütungsmittel … und auf das ‚gute Leben’, was immer es sei und wo immer es sich zufällig findet.”

Die Odyssee eines Outlaw-Journalisten : Gonzo-Briefe 1958-1976

Berlin Bittermann 2015

Berlin Bittermann 2015

Gugelhupf statt Google

24. April 2015 von Wolfgang Köhle

 

„Sagen wir, du gehst eine Straße entlang. Aufgrund der Informationen, die Google über dich gesammelt hat, wissen wir grob, wer du bist, wissen wir ungefähr, was dich interessiert, wissen annäherungsweise, wer deine Freunde sind. Google weiß auch, bis auf wenige Meter genau, wo du gerade bist.” Eric Schmidt, Executive Chairman Google

Google, die größte Werbeagentur der Welt, zahlt nicht nur praktisch keine Steuern, sondern manipuliert Suchergebnisse und missbraucht persönliche Daten: „Das wichtigste Ziel von Google ist das Sammeln persönlicher Daten. Ziel ist, dass Google-Nutzer auch Fragen stellen können wie: Was soll ich morgen anziehen? Oder Welchen Job soll ich annehmen.” Eric Schmidt, Google

„Fürsorge ist es nicht, was Google dazu treibt, unsere intimsten Wünsche aufzuspüren. Es geht ums Geschäft. Je mehr Google über den einzelnen Nutzer weiß, desto maßgeschneideter können Kunden über Google Werbung schalten, und desto größer ist der Wettbewerbsvorteil.”

München Herbig 2015

München Herbig 2015

 

Wie uns Morbus Google total überwacht,  Daten missbraucht und die Welt manipuliert: Die Akte Google

Dazu passend ein Roman von Dave Eggers: Der Circle

Weniger als nichts

21. April 2015 von Wolfgang Köhle

 

Weniger ist mehr. Weniger als nichts ist noch mehr. Denn weniger als nichts ist nicht nichts, sondern etwas, das das Nichts gebiert, etwas, das aus dem Nichts erscheint.

„Die große Stärke unseres Geistes liegt nicht darin, mehr zu sehen, sondern weniger auf richtige Weise zu sehen, die Realität auf ihre begrifflichen Bestimmungen zu reduzieren – nur durch eine solche ‚Blindheit’ entsteht die Einsicht, wie die Dinge wirklich sind.”

Slavoj Zizek, umstrittener Philosoph, Leninist, Hegelianer, Lacan-Schüler etc., fasst seine fruchtbaren Ideen zusammen in Weniger als nichts.

„Früher (als das Rauchen noch nicht stigmatisiert wurde) hieß es, die zweit- und drittschönste Sache der Welt seien der Drink davor und die Zigarette danach. Dementsprechend handelt Weniger als nichts außer vom Hegelschen Ding auch von einer Reihe Davors (Platons, Christentum, Fichte) und Danachs (Badiou, Heidegger, Quantenphysik).”

Banausentum

17. April 2015 von Wolfgang Köhle

 

Der Banause ist unwissend und unqualifiziert. Und doch kommt das Wort Banause vom altgriechischen bánausos und heißt einfach Handwerker. Wie wurde Banause zum Schimpfwort, und warum wurde ein ganzer Berufsstand mit Geringschätzung bedacht?
„Die Antwort findet sich bei Platon und Aristoteles. Sie hatten ein aus heutiger Sicht sonderliches Verhältnis zur körperlichen Arbeit, die man als freie Bürger doch lieber den Frauen, den Sklaven, den Bauern und eben den Banausen, also den Handwerkern überließ. Selbst widmete man sich der Politik oder man befasste sich mit Wissenschaft und Philosophie, was damals noch weitgehend dasselbe war.”

Der „Mundwerker” galt und gilt mehr als der Handwerker, der Theoretiker mehr als der Praktiker. Wir leiden immer noch unter diesem Überheblichkeits-Erbe, wie ein aktuelles Beispiel zeigt:

„Eine groteske Form dieser Hierarchie wird aktuell in der Wertschätzung von Erziehungstheoretikern durch Politiker sichtbar.

München Beck 2015

München Beck 2015

Der Erziehungswissenschaftler muß weder nachweisen, dass er selbst ‚erziehen’, ‚bilden’ oder ‚ausbilden’ kann, noch gar, dass er die angestrebten Inhalte der Aus-Bildung selbst beherrscht. Er soll als zuständiger Theoretiker nur sagen, worüber, worin oder wie die zu Belehrenden zu belehren sind.”

Eine Wissenschaftsgeschichte der Geometrie, Physik, Chemie, Lebens- u. Kommunikationswissenschaften: Handwerk und Mundwerk.

Stop making sense

14. April 2015 von Wolfgang Köhle

 

„Ich verbringe meine Zeit mit sinnlosen Tätigkeiten. Besser gesagt: mit der Suche nach einer wahrhaft und vorbildlichen sinnlosen Tätigkeit. Ich habe noch keine endgültige Entscheidung getroffen, welche Tätigkeit die sinnloseste ist, und gerate manchmal sogar ins Grübeln darüber, ob es eine solche Tätigkeit überhaupt gibt.”

Sinnlosigkeit - was für ein böses Wort in diesem (un)heilvollen Durcheinander.
Antonius versucht der allgemeinen Sinnlosigkeit Herr zu werden, indem er selbst nur noch sinnlose Dinge tut. Das Leben, das er führt, passt nicht zu ihm, darum muss er Ordnung schaffen. Er räumt Mülltonnen auf. Er ist kein Müllnazi, aber eine komische, eine traurige Figur.

„Das betrübt ihn tatsächlich sehr. Kein Verständnis für sein Anliegen. Für seine Sorge um Ordnung, vielmehr seine Sorge für eine geordnete Welt, in der die Regeln eingehalten wurden, für diese seine Sorge, dieses sein Sorgen, das vollkommen selbstlos war und damit vorbildlich sinnlos in der Welt.”

Wie der Müll geordnet wird. Roman von Iris Hanika

Graz (u.a.) Droschl 2015

Graz (u.a.) Droschl 2015

Es gibt keine Alternative

10. April 2015 von Wolfgang Köhle

 

Wer sich eine Stunde Zeit nimmt, kann sich selber ein Bild machen über den Mythos der Alternativlosigkeit zum Ausweg aus der Bankenkrise, Staatsschuldenkrise, Investitionskrise und sozialer Krise.

Aus dem Vorwort des Mitautors u. amtierenden griechischen Finanzminister Yanis Varoufakis

„Natürlich gab es keine Rettung Griechenlands. Der griechische Staat erhielt Kredite in Höhe von 240 Milliarden Euro, damit über 200 Milliarden Euro Steuergelder und die Banken und verschiede Hedgefonds fließen konnten. Diese Milliarden bekam Griechenland unter der Bedingung drastischer Sparauflagen, die die Einkommen der Menschen um ein Viertel reduzierten, wodurch es sowohl für die öffentliche Hand wie für den privaten Sektor in Griechenland unmöglich wurde, ihre alten und neuen Kredite zurückzuzahlen. Politiker in ganz Europa verkündeten die ‚Rettung’ Griechenlands, während in Wahrheit die Rechnung für die Bankenrettung durch die europäischen Steuerzahler vorbereitet wurde… Der vielleicht deprimierendste Aspekt war das Beharren, der eingeschlagene Weg sei ‚alternativlos’.

München Kunstmann 2015

München Kunstmann 2015

Und so begann ich, zusammen mit Stuart Holland und James K. Galbraith Anfang 2010 die Ausarbeitung des ‚Bescheidenen Vorschlags zur Lösung der Eurokrise’. Damit wollten wir zeigen, dass es mindestens eine Alternative gibt.”

Im Besitz der Wahrheit

7. April 2015 von Wolfgang Köhle

 

Die Monotheismus-Theorie, also die Erfindung des einen, wahren, richtigen Gottes, die Unterscheidung zwischen wahrer und falscher Religion, wahrem Gott und falschen Göttern geht auf Moses zurück.

Jan Assmann präzisiert mit seinem neuestem Werk Exodus seine vieldiskutierte Theorie und erklärt die revolutionären, weltgeschichtlichen Folgen des Auszuges aus Ägypten.

„Mit der Konzeption des Bundes kommt der ‚Glaube’ in die Welt, der die eigentliche, revolutionäre Neuerung des biblischen – alttestamentlichen, neutestamentlichen und islamischen Monotheismus darstellt. ‚Glaube’ heißt im Alten Testament dasselbe wie ‚Treue’, nämlich Vertrauen in den Bund, in die Verheißung Gottes, in den Eid, den er den Vätern geschworen hat und in die versöhnende und rechtfertigende Kraft der Gesetze.”

„Das Buch Exodus enthält die wahrscheinlich grandioseste und folgenreichste Geschichte, die sich Menschen jemals erzählt haben.

München Beck 2015

München Beck 2015

Sein Thema ist eine Wende in der Geschichte der Menschheit, die sich nur mit den großen Evolutionsstufen auf dem Wege zum heutigen Menschen wie Schrifterfindung und Staatenbildung vergleichen lässt: Das ist die Wende vom Polytheismus zum Monotheismus, ein evolutionärer Einschnitt ersten Ranges, zumindest für die jüdisch-christlich-islamische Welt.”

1. April

2. April 2015 von Wolfgang Köhle

 

Nichts, auch nicht der 1. April, hindert uns Bibliothekare daran, nicht nichts zum Lachen zu haben.

 

Frohe Ostern!

Ausverkauf

1. April 2015 von Wolfgang Köhle

 

Überraschend gab auf der gestrigen Pressekonferenz der Direktor der Vorarlberger Landesbibliothek Dr. Harald Weigel bekannt, mit dem Verkauf der kostbaren Handschriftensammlung die akute Raumnot lösen zu wollen. Mit dieser drastischen Maßnahme sollen Einnahmen von 9.5 Mio. € lukriert werden. Dr. Weigel: „Harte Zeiten erfordern harte Maßnahmen.”

Die aus Protest zurückgetretenen Vizedirektoren Mag. Norbert Schnetzer und Mag. Thomas Feurstein informierten in einer eilig einberufenen Pressekonferenz über die wahren Ausmaße und die Vorhaben des Bibliotheksdirektors. Mit dem Seestadt-Areal soll Dr. Weigel für die Landesbibliothek einen neuen Standort gefunden und alle Platzprobleme gelöst haben. Gespräche mit der Prisma-Holding und den Architekten der ARGE Aicher ZT GmbH sollen bereits zu einem positiven Abschluss gekommen sein. Laut Mag. Schnetzer will Dr. Weigel neue Geldquellen erschließen und  den Neubau im Seestadt-Areal nicht nur durch die Veräußerung der besonders wertvollen, optimal in der Nicht-Raucherfreien Zone konservierten Norman Douglas-Sammlung decken. Vielmehr soll Dr. Weigel bereits den Verkauf aller Sondersammlungen der VLB eingeleitet haben. Mag. Feurstein: „Wir wollen unseren Benutzern beste Bedingungen bieten, und dafür müssen wir auch harte Einschnitte in Kauf nehmen, aber das geht zu weit.”

Dr. Weigel geht von einem Finanzierungsbedarf  von 250 Mio. € aus. Als Beweis legten die zwei Ex-Vizedirektoren folgenden Finanzierungsplan vor:

•    Maxdome, ein Spezialist für Video on demand, soll sich die Verwertungsrechte der Mediathek gesichert haben. Der ORF schätzt den Wert der Fernseh- und Radiomitschnitte auf 35 Mio. €.
•    An den Handschriften mit der besonders wertvolle Abschrift der „Autohagiographie des Kephalophoren-Wunders vom Viktorsberg” hat ein chinesischer Privatsammler großes Interesse bekundet. Er soll rund 41 Mio. € geboten haben.
•    Die Sammlung der vor 1850 auf den Markt gebrachten Erzeugnisse aus Vorarlberger Druckwerkstätten, darunter die kostbare Mohrenbräu-Bibel aus 1467, soll für 13 Mio. € in den Besitz des Landesmuseums übergehen.
•    Für 120.000 €  wird die Norman-Douglas-Sammlung in die Norman Douglas Collection der Yale University library integriert.
•    Für die Nachnutzung des Gallusstiftes  hat ein Schweizer Investor das Projekt „Seniorenresidenz Babenwohl” vorgestellt und 185 Mio. € geboten.
•    Sämtliche Monographien sollen über Amazon verkauft werden, mit Einnahmen von 150.000 € wird gerechnet.
•    Für die Drucke nach 1850 ebenso wie für die Postkarten und Ansichtskarten liegen noch keine Angebote vor. Diese werden gemeinsam mit der Fotosammlung am letzten „Tag der offenen Bibliothek im Gallusstift” auf dem Flohmarkt verscherbelt.
•    Das Franz-Michael-Felder-Archiv geht für 500.000 € an das Brenner-Archiv in Innsbruck.
•    Für die fehlenden 150.000 € sollen die Bibliothekare der VLB Schulungen mit dem Thema Wie man über Bücher spricht, die man nicht gelesen hat, anbieten.

Aus der letzten Presseaussendung von Dr. Weigel:
„Der Erfolg ist sozusagen, dass man alles, was man an Ordnung im Einzelnen gewinnt, am Ganzen wieder verliert, so dass wir immer mehr Ordnungen und immer weniger Ordnung haben. Endlich kann ich meine Vision von einer hypermodernen e-only-Bibliothek verwirklichen, mitten in der Stadt, mit dynamischen Dokumenten, Lesern und Mitarbeitern.”

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