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VLB BLOG - Januar 2015

 

Die Mutter aller Fragen

30. Januar 2015 von Wolfgang Köhle

Was knallte? Warum knallte es? Und was war, bevor es knallte? Wer ist dafür verantwortlich? Gott, ein Hacker, das Quantenvakuum, mathematische strukturierte Information, oder ein Scheinproblem?
Auf der Suche nach der ultimativen Antwort auf die ultimative Frage Warum gibt es überhaupt etwas und nicht vielmehr nichts? werden interessanten Gesprächspartnern  wie Physiker, Theologen, Philosophen, Mystiker, und Kampfatheisten die gottlose Frage nach dem Ursprung gestellt.

Andre Linde zum Beispiel, dessen Urknalltheorie  das exakte Muster der vom Urknall gebliebenen Hintergrundstrahlung voraussagte: „Als ich die Theorie der chaotischen Inflation entwickelte, stellte ich fest, dass man, um ein Universum wie das unsere entstehen zu lassen, lediglich ein tausendstel Gramm Materie braucht. Das genügt, um ein Klümpchen Vakuum zu erzeugen, das sich zu Milliarden und Abermilliarden Galaxien aufbläht. Was also hindert uns, ein Universum im Labor zu erschaffen? Wir wären Götter? Es gibt ein paar Lücken in meinem Beweis, aber allem Anschein nach wurde unser Universum nicht von einem göttlichen Wesen erschaffen, sondern von einem physikalisch bewanderten Hacker.”


Reinbek bei Hamburg Rowohlt 2014

Reinbek bei Hamburg Rowohlt 2014

Eine Mischung aus Philosophie und Naturwissenschaften, Reisereportage und persönlichem Erfahrungsbericht: Gibt es alles oder nichts?

Beredte Sprachlosigkeit

28. Januar 2015 von Wolfgang Köhle 

 

Ein heiliger Ort ist es nicht, aber ein heilender, die Westküste der Bretagne im Departement Finistére, wo die Geliebte durch eine Brandungswelle vom Meer verschluckt wird. 

 

„Trauern muss jeder allein. Getrauert habe ich, aber ohne verstehen komme ich nicht weiter. Dein Problem ist der Konjunktiv. Der Konjunktiv ist immer eine Ausrede. Wenn es etwas gibt, was ich in meinem Leben gelernt habe, dann das: Die Möglichkeitsform ist ein einziger Beschiss. Vergiss das Trauern. Trauer gibt es nicht. Es gibt nur das allmähliche Akzeptieren der Realität. Alles andere ist Geschwätz. Die einzige Zukunft ist die Realität. Nimm sie endlich an!"

 

Péter Esterházy hat Recht: 

 

„Andreas Neeser hat eine vorsichtige, fragile, doch kraftvolle Sprache, sie ist fein, sie ist bitter, sie ist leise, sie ist verletzlich. Und genau. Also schön. Ruhig, aber dann unerwartet auf einmal: ein schwarzes Loch, man kann nicht alles wissen. Aber es wird uns viel gesagt. Über Zufall und Schicksal, Leben und Tod, über Liebe und Liebe. Wortnähe und Herznähe. Das haben wir selten."

 

Zwischen zwei Wassern. Roman von Andreas Neeser

Innsbruck (u.a.) Haymon-Verl. 2014

Innsbruck (u.a.) Haymon-Verl. 2014

r > g

23. Januar 2015 von Wolfgang Köhle

„Ungleichheit ist kein zufälliges, sondern ein notwendiges Merkmal des Kapitalismus; übermäßige Ungleichheit in einer kapitalistischen Wirtschaft kann daher nur durch Einschränkungen des Kapitalismus gelöst werden.”

Die Theorie: Die Vermögenskonzentration ist seit Mitte des 20. Jahrhunderts in den Industrienationen deutlich gestiegen, eine Zunahme der Ungleichheit gehört wesentlich zum Kapitalismus  und die unkontrollierte Zunahme der Ungleichheit bedroht die Demokratie und Wirtschaft. Es gibt zwei Hauptursachen der wachsenden Ungleichheit:

1. Anders als vielfach behauptet, entspricht die relative Höhe der Einkommen gegenüber niedrigeren Einkommen nicht der jeweiligen Produktivität.
2. Einkommen aus Kapital wachsen im Kapitalismus in der Regel prozentual stärker als die Gesamtwirtschaft: r > g

r = Kapitalrendite, g = Wirtschaftswachstum

München Beck 2014

München Beck 2014

Wenn immer r g übersteigt, nimmt die Ungleichheit zu, was weltweit überwiegend seit Jahrzehnten sehr deutlich der Fall ist.

Der Beweis: Das Kapital im 21. Jahrhundert, von Thomas Piketty

Anspruch auf einen „Freispruch aus Mangel an Beweisen” hat niemand, Beweise gibt es genug: z.B. Vermögensverteilung, Einkommensverteilung, Verteilungsgerechtigkeit

Informationsreichtum

21. Januar 2015 von Wolfgang Köhle

Wissen boomt. Heute mehr denn je. Aber was ist überhaupt Wissen?
„In Anlehnung an die berühmte Metapher von Claude Lévi-Strauss ließe sich Information auch als das ‚Rohe’ und Wissen als das ‚Gekochte’ definieren. Information ist natürlich nur relativ roh, da die Daten überhaupt nicht objektiv gegeben sind, sondern von Menschen mit all ihren Vermutungen und Vorurteilen subjektiv rezipiert werden. Wissen jedoch ist insofern ‚gekocht’, als es verarbeitet wird, und zwar in Form einer kritischen Aneignung durch Verifizierung, Messen, Vergleichen und Systematisieren.”

Eine Geschichte des Wissens - die Demokratisierung, Professionalisierung, Amateurisierung, Säkularisierung, Anhäufung und Zerstörung von Wissen - bietet Die Explosion des Wissens : von der Encyclopedie bis Wikipedia.

Wissend ist nur, wer weiß, dass er nicht weiß. Ein Überlebensvorteil im Informations-Rauschen bietet Nikolaus von Kues in Form von Horizonterweiterung durch gelehrtes Nichtwissens an; vereinfacht formuliert:

Berlin Wagenbach 2014

Berlin Wagenbach 2014

 

Weil alles, was man weiß, noch viel genauer gewusst werden kann, wird nichts, was man weiß, so gewusst, wie es wissbar ist.

Shortlist

19. Januar 2015 von Wolfgang Köhle

Auch Literaturpreise zeigen, dass manche keine Ahnung, dafür aber umso mehr eigene Interessen haben und es im Literaturbetrieb öfter um Intrigen als um Literatur geht. Das jüngste Buch vom preisgekrönten Schriftsteller Edward St Aubyn handelt satirisch von der Vergabe eines wichtigen Literaturpreises.

„Sam saß an seinem Schreibtisch, den Mittelfinger eingedellt vom Druck gegen den Füllfederhalter, den er auf die fast leere Seite presste. Um die schreiblüsterne Spitze herum hatte sich ein kleiner Tintenfleck gebildet. Darüber, diagonal in die obere rechte Ecke gehudelt, stand eine Liste von Wörtern, die sich bisher geweigert hatten, einen Satz zu bilden, die aber als eine Art Fingerübung für die ekelerregende Aufgabe betrachtet werden konnten, genau das zu tun: nicht, mitnichten, nichtsdestoweniger, nichts, weniger, ohne, und vor allem, nein. Diese kleine Verneinungskritzelei diente Sam, ganz ähnlich wie das Räuspern zu Beginn einer Rede, als Vorbereitung für die Obliegenheit, etwas niederzuschreiben, auch wenn er nichts zu sagen hatte; oder anders gesagt: für die Obliegenheit, etwas niederzuschreiben, gerade weil er nichts zu sagen hatte, denn nur unter dieser Voraussetzung konnte sich eine neue Erkenntnis überhaupt Bahn brechen.”

Der beste Roman des Jahres

Kleine Roman-Auswahl von Literaturbetriebsgeschädigten:
Marlene Streeruwitz : Nachkommen
Thomas Glavinic: Das bin doch ich
Norbert Gstrein : Die ganze Wahrheit
Martin Walser: Tod eines Kritikers
Klaus Modick: Bestseller

München Piper 2014

München Piper 2014

Papa hat sich erschossen

13. Januar 2015 von Wolfgang Köhle

 

Eine Familie ist wie ein Mobile. Jedes Familienmitglied hängt an einem Faden, wie bei einem Windspiel bedingt seine In/Stabilität die der anderen. Nach dem Tod des Bruders, bricht das Familien-Mobile zusammen, und bleibt zerstört.

2004. Der aufgrund eines Arztfehlers geistig behinderte Bruder Till stirbt 26-jährig.

„Der Vater verändert sich nach Tills Tod auch körperlich. Die Haare werden schneeweiß, der fast zwei Meter große Mann geht plötzlich gebückt, statt auszuschreiten werden seine Schritte kurz und tapsig.”

2008.
„Mein Handy läutet: Meine Mama ruft an. ‚Papa hat sich erschossen’. Ihre Stimme klingt ein bisschen zittrig und unglaublich erschöpft. Für ein paar Sekunden bleibt alles stehen, bis es mir den Hals zuschnürt.”

„Der Suizid meines Vaters verändert meine Welt völlig. Sie wurde ruiniert, und in den kommenden Jahren werde ich versuchen aufzubauen, was er eingerissen hat. Ich liebe und bewundere meinen Vater sehr, und an diesem Tag wird er zu meinem schlimmsten Feind. Der Weg zur Versöhnung ist lang.”

Ohnmacht, Schuldgefühle, Wut und Entsetzen. Papa hat sich erschossen

Frankfurt/Main Fischer-Taschenbuch-Verl. 2014

Frankfurt/Main Fischer-Taschenbuch-Verl. 2014

Ob du es glaubst oder

8. Januar 2015 von Wolfgang Köhle

 

„Und wenn du im Internet einen Riesensex ohne Verantwortung gesucht und als Ergebnis eine Riesenverantwortung ohne Sex gekriegt hast, dann bist du vielleicht bei den Kleinigkeiten überempfindlich.”

Eine Ehe ist keine Kleinigkeit, nicht mal eine Scheinehe, zu der diesmal Privatdetektiv Brenner überredet wird. Da macht sich selbst der Brenner so seine Gedanken über das Schein-Eheglück „denn nie kannst du besser über das Glück nachdenken, das ein Ehering bietet, als wenn der berüchtigtste Zuhälter der Stadt gerade dazu ansetzt, dir die Hände abzuhacken.”

Brenner recherchiert im Rotlichtmilieu. „Das mit der Schrecksekunde ist ein guter Trick, ohne den würden wir so manches nicht überleben. Ich sage immer, nicht einmal die Geburt würden wir überleben ohne Schrecksekunde, die Schule nicht, die Ehe nicht, den Beruf nicht, die Jugend nicht, das Alter nicht, im Grunde würden wir das halbe Leben ohne Schrecksekunde nicht überleben, und den Tod schon gar nicht.”

Brennerova, der neue Brenner von Wolf Haas

Hamburg Hoffmann u. Campe 2014

Hamburg Hoffmann u. Campe 2014

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