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VLB BLOG - März 2015

 

Das Prinzip der Unschärfe

27. März 2015 von Wolfgang Köhle

 

„Eine objektive Beschreibung des geheimen Grundes der Dinge kann nicht erlangt werden. Denn die Dinge haben keinen Grund und das Prinzip zieht zwischen ihnen und uns eine unüberwindbare Grenze, einen Isthmus, jenseits dessen sich das unsägliche Nichts erstreckt.”

Wer unter literarischem Libidoverlust leidet, lese Jerome Ferrari. In Das Prinzip blickt er Werner Heisenberg, der Gott (was immer diese Metapher bedeutet) über die Schulter blicken will, über die Schulter.
Heisenbergs Unschärferelation zufolge kann man nicht zugleich die Position und die Geschwindigkeit eines Elementarteilchens bestimmen. Flüchtig, das ist das Prinzip. Das verstößt. Gegen die heiligen Ideale der Wissenschaft. Das Prinzip widerlegt die Kausalität. Auch die Natur ist unvernünftig, und verstößt zuweilen gegen Naturgesetze.

„Derjenige, der sich weigert, sich zum Schweigen zu entschließen, kann sich nur mittels Metaphern ausdrücken. 1922, als Niels Bohr Ihnen darlegte, dass Ihre Berufung zum Physiker zugleich auch eine Berufung zum Dichter sei, da teilte er Ihnen nichts mit, was Sie selbst nicht schon gewusst hätten. Drückt man sich mittels Metaphern aus, verdammt man sich zur Ungenauigkeit, und wenn man sich weigert, dies zuzugeben, dann läuft man darüber hinaus Gefahr zu lügen.”

Zürich Secession Verl. für Literatur 2015

Zürich Secession Verl. für Literatur 2015

TTIP

24. März 2015 von Wolfgang Köhle

 

TTIP - Geheime Verhandlungen zwischen EU und USA. Unterwirft sich die Politik Konzerninteressen? Wem soll man glauben, dem Kartell der Verharmloser oder den Kritikern? Cui bono?

Aus dem Fazit von Die Freihandelslüge: warum TTIP nur den Konzernen nützt – und uns allen schadet

„Mit TTIP, so wie es jetzt geplant ist, wollen globale Konzerne ein Regelwerk etablieren, das fast ausschließlich ihren Interessen dient, das zu Lasten der großen Mehrheit geht, zu Lasten von Verbrauchern, Arbeitnehmern und vielen kleinen und mittleren Unternehmen, zu Lasten der Umwelt, der Souveränität der Länder, der Demokratie. TTIP wäre ein verhängnisvoller Schritt in Richtung jener ‚marktkonformen Demokratie’, in der sich alles den Freiheits- und Gestaltungsansprüchen globaler Konzerne unterordnen soll.”…

Dazu ein gewisser Karl Marx: „Am Kapitalismus ist nicht die freie Marktwirtschaft schlecht, sondern wenn Lobbys die Politik dominieren.”

München Dt. Verl.-Anst. 2015

München Dt. Verl.-Anst. 2015

Selbst bestimmt

20. März 2015 von Wolfgang Köhle

 

Georg Christoph Lichtenberg über die Autonomie des Lebensendes in der Rede eines Selbstmörders kurz vor der Tat aufgesetzt:

„Freunde! Ich stehe jetzo vor der Decke im Begriff sie aufzuziehen, um zu sehen ob es hinter derselben ruhiger sein wird als hier. Es ist diese kleine Anwandlung einer tollen Verzweiflung, ich kenne die Kette meiner Tage aus den wenigen Glieder die ich gelebt habe zu wohl. Ich bin müde weiter zu gehen, hier will ich ganz ersterben oder doch wenigstens über Nacht bleiben. Hier nimm meinen Stoff wieder, Natur, knete ihn in die Masse der Wesen wieder ein, mache einen Busch, eine Wolke, alles was du willst aus mir, auch einen Menschen, aber mich nicht mehr. Dank sei es der Philosophie, daß mich jetzo keine fromme Possen in dem Zug meiner Gedanken stören. Genug ich denke, ich fürchte nichts, gut, also weg mit dem Vorhang!”

Was aktive, passive, indirekte Sterbehilfe, Suizidhilfe, Sterbebegleitung, Betreuung und Begleitung von Schwerstkranken und Sterbenden bedeutet, beschreibt der Palliativmediziner Gian Domenico Borasio in Selbst bestimmt sterben.

München Beck 2014

München Beck 2014

Ernüchterung

17. März 2015 von Wolfgang Köhle

 

„Das Trinken widersetzt sich jeder Logik, ihm lässt sich nicht mit Verstand beikommen. Das Wissen, dass man zu viel trinkt, ist völlig nutzlos. Man trinkt nicht weniger, weil man weiß, dass man ein Problem hat. Man hört auch nicht auf, indem man analysiert, warum man trinkt. Man hört damit auf, indem man aufhört.”

Wer mit der legalen Droge Alkohol nicht umgehen kann, wird ausgegrenzt. Die vielen Möglichkeiten, seine Sucht zu intellektualisieren und zu ästhetisieren helfen nicht, einmal Trinker, immer Trinker. Offen über seine Alkoholsucht und deren Überwindung erzählt Daniel Schreiber in Nüchtern : über das Trinken und das Glück

„Leute fragen mich oft, wie ich es geschafft habe, aufzuhören. Und jedes Mal bin ich etwas verwirrt, denn das Aufhören war nie das Problem. Auf die Frage, wie ich es schaffe, nicht wieder anzufangen, kann ich antworten, dass ich versuch, ein möglichst glückliches Leben zu führen, so oft wie möglich innere Ruhe zu finden und mich der Welt irgendwie zu öffnen.”

München Hanser Berlin 2014

München Hanser Berlin 2014

Erbarmen

12. März 2015 von Wolfgang Köhle

 

„Wir gehen und schweigen. Dreiundzwanzig Jahre trennen uns. Die Dreiundzwanzig kann man nicht teilen. Die Dreiundzwanzig ist nur durch sich selbst teilbar. Und durch eins. So ist die Einsamkeit zwischen uns. Man kann sie nicht in Teile zerlegen. Man schleppt sie als Ganzes mit sich.”

Der Elfjährige Außenseiter friert, hungert und arbeitet schwer. Nur in der Beschäftigung mit den Primzahlen findet er sich selbst und Distanz zu der Brutalität des ungarischen Dorfes, zum Krieg, Nazikollaboration und zu den vom Kommunismus verrohten Menschen.

„Die Männer fürchten sich voreinander, deshalb gehen sie abends in die Kneipe. Denn wenn sie zusammen sind, können sie einander im Auge behalten. Die Frauen bleiben zu Hause. Weil die Männer sich mehr vor dem Mundwerk der Frauen fürchten, als vor den anderen. Und sie fürchten sich, allein zu sein. Frauen können die Einsamkeit ertragen. Sie haben die Kinder. Frauen fürchten sich vor nichts. Nur vor den Männern, die spätnachts betrunken nach Hause kommen und die Kinder aufwecken.”

Die Mittellosen, von Szilárd Borbély

Berlin Suhrkamp 2014

Berlin Suhrkamp 2014

ReformenSakrileg

10. März 2015 von Wolfgang Köhle

 

Gremien kontrollierten Päpste, Frauen konnten Sünden vergeben, Bischöfe wurden gewählt. Die katholische Kirche war lang ein breiter Strom mit vielen Nebenarmen, den der römische Zentralismus im 19. Jahrhundert kanalisierte. Traditionen wurden erfunden, an die bis heute selbst Historiker glauben. Heute haben Laien nichts zu melden, vor allem wenn sie Frauen sind.

Krypta, enthüllt unterdrückte Traditionen der Kirchengeschichte

„Wir wissen, dass es an diesem Heiligen Stuhl schon seit einigen Jahren viele gräuliche Missbräuche in geistlichen Dingen und Exzesse gegen die göttlichen Gebote gegeben hat, ja, dass eigentlich alles pervertiert worden ist. So ist es kein Wunder, wenn sich die Krankheit vom Haupt auf die Glieder, das heißt von den Päpsten auf die unteren Kirchenführer, ausgebreitet hat. Wir alle – hohe Prälaten und einfache Kleriker – sind abgewichen, ein jeder sah nur auf seinen eigenen Weg, und da ist schon lange keiner mehr, der Gutes tut, auch nicht einer.” Papst Hadrian VI, 25. Nov. 1522

München Beck 2015

München Beck 2015

Kann denn Essen Sünde sein

6. März 2015 von Wolfgang Köhle

 

Lebensmittel-Unverträglichkeiten machen krank, Weizen, Gluten, Milch etc. töten uns langsam. So denken jedenfalls Gesundheitsstreber. Immer neue Ernährungsmythen entstehen, auch dank Morbus Google

„Die wichtigste Regel bei Wehwehchen aller Art lautet bekanntlich: nicht googeln! Natürlich tun wir es doch – und werden krank und kränker. Ist der Verdacht einmal gesät, wird man die Unverträglichkeit von Laktose, Histamin oder Gluten kaum mehr los. Selbst wer sich rundum wohlfühlt, kann es mit der Angst zu tun bekommen. Selbsternannte Experten in Onlineforen und Celebrities mit sorgsam gepflegten Modekrankheiten machen uns zu Fällen für die ‚Frei von’ –Industrie.”

Ernährungshysterie oder gelassene Esskultur? Schluss mit den Legenden vom bösen Essen:
Der Feind in meinem Topf ?

Hamburg Hoffmann u. Campe 2015

Hamburg Hoffmann u. Campe 2015

Delirium

4. März 2015 von Wolfgang Köhle

 

„Du trinkst, und es bringt dich um. Warum? Weil du nicht mit Alkohol umgehen kannst, er hat dich im Griff. Warum? Weil du den Punkt erreicht hast, an dem ein Drink zu viel und Hunderte nicht genügen.”

Um Don Birnman, Quartalssäufer und Gentlemen-Trinker, dreht sich im wahrsten Sinne des Wortes alles. Kaum hat er sich von seinem letzten Absturz erholt, trinkt er weiter, trinkt so lange auf die eigene Gesundheit, bis er sie ruiniert hat.

„Dieses Mal würde er im Spirituosenladen einen besseren Eindruck hinterlassen. Er würde sich eine Krawatte umbinden, ein Jackett und sogar eine Weste anziehen, sogar einen Hut aufsetzen. Als er gerade zur Tür gehen wollte, drehte er sich noch einmal zu der halb leeren Whiskyflasche um. Mit ausschweifender Geste, wie ein Matador, zeigte er auf sie: ‚Du bleibst hier’ sage er mit tiefer, dunkler, höchst bedrohlicher Stimme. ‚Nicht weglaufen; nicht verstecken; nicht verdunsten! Ich bin gleich wieder zurück.’ ”

Charles Jackson, Das verlorene Wochenende, verfilmt von Billy Wilder.

Zürich Dörlemann 2014

Zürich Dörlemann 2014

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