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VLB BLOG - Mai 2015

 

Ecce homo thesaurus

29. Mai 2015 von Wolfgang Köhle

 

Das Ende naht. Programmierer (mit informationstherapeutischem Bedarf) arbeiten daran, mittels Plausibilitätskontroll-Algorithmen und computerlinguistischem Indexieren den Beruf des inhaltserschließenden Bibliothekars wegzurationalisieren. Informationen werden sich selbst erschließen, Auswahl und Relevanz werden nach Häufigkeit statistisch berechnet. Zahlen zählen, nicht der Inhalt. Die wichtigsten Leser sind heute schon vor allem: nicht-menschlich. Solange noch berichtbar, etwa eine Stunde aus dem Leben der vom Aussterben bedrohten Spezies des homo thesaurus:

 

Handbuch der frühchristlichen Ikonographie
Wildtierethik
Kuppeln und Bogendächer aus Holz
Game over
Sari
Gerechte Freiheit
Das Buch der Klänge
Die Beobachtung des Beobachters
Wissenschaft und Wissenstransfer
David Lynch : Works on paper
Günter Grass : Sechs Jahrzehnte
101 Fragen und Antworten im Vorstellungsgespräch
Wirtschaftsprüfung 
Steueroasen  2015
Konzernrechnungslegung
Steueroasen im Visier
Unternehmenssanierung
Von der Schale bis zum Kern
Hans Suter.  Unten am See
Ätherische Öle
Wohnhäuser : eine Typologie
The Gardener's garden
Der hemmungslose Geist
Das Echolot
Über den vermeintlichen Wert der Sterblichkeit

Die Wirklichkeit hat nichts zu beweisen

26. Mai 2015 von Wolfgang Köhle

 

„Das ist ein Buch… für alle, die schon einmal in einem Hotelzimmer übernachtet haben. Für solche, die noch zehn Minuten haben, bis das Boarding ihres Anschlussfluges beginnt. Für solche, die unter den 69 Sendern ihres Fernsehers keinen finden, den sie sehen wollen. Für diejenigen, die froh sind, dass Vinyls wieder modern sind, und die sich gerade eine neue Nadel für ihren alten Plattenspieler gekauft haben. Für die, die gerne Fortsetzungsromane in Tageszeitungen und / oder ihre Lieblingsbücher immer wieder lesen. Für Reisende, versponnene Privatiers und alle, die auf etwas warten – den Bus, das Jobinterview oder den nächsten Kunden (egal ob im Supermarkt, beim Friseur oder im Bordell). Jedes Kapitel hat die Länge einer Zigarette, also ist es auch ein Buch für Raucher. Außerdem für Fußballfans, Trinker, sexbesessene Philosophen und natürlich für  …”

69 Hotelzimmer

Das posthume literarische Debüt eines der renommiertesten Dokumentarfilmer von Michael Glawogger, verstorben in Liberia während der Dreharbeiten zu seinem nun letzten Film.

Berlin AB - Die Andere Bibliothek 2015

Berlin AB - Die Andere Bibliothek 2015

Eselsbrücke

22. Mai 2015 von Wolfgang Köhle

 

Wer A sagt, muß auch B sagen
Eulen nach Athen tragen
Ins Gras beißen
Unter einer Decke stecken
Wer zuerst kommt, mahlt zuerst
Aller guten Dinge sind drei
Hand und Fuß haben
Schnee von gestern
Einen Korb bekommen
Etwas auf die Spitze treiben
Jemandem Hörner aufsetzen
Ein Herz und eine Seele

 

„Die Erklärung alter Sprichwörter fällt schwer genug, wenn die Wörter ihre Bedeutung geändert haben und uns deshalb zum Narren halten. Genauso tückisch kann der Fall sein, wenn sich die Bedeutung durchaus erhalten hat, nur der Kontext der Verwendung vergessen ist.

Stuttgart Reclam 2009

Stuttgart Reclam 2009

Dazu zählt etwa die Redensart in die Brüche gehen. In diesem Fall geht nichts zu Bruch, vielmehr sind die Brüche in der Mathematik gemeint. Die Rechnung geht nicht auf, es wird entsprechend schwierig (etwa mit dem Teilen). Aus einem ähnlichen Bildbereich stammt klein beigeben. Auch hier sind  Zahlen bzw. Werte im Spiel, diesmal die beim Kartenspiel üblichen. Wer voraussieht, dass er in einer Runde keinen Stich machten kann, gibt eben den kleinsten Wert bei, den er zur Verfügung hat. Aber was verbirgt sich hinter einer Eselsbrücke? Unter den Sätzen des Euklid hatte der fünfte (zu gleichschenkligen Dreiecken) den Namen pons asini, Eselsbrücke.”

Eile mit Weile, Herkunft und Bedeutung von Sprichwörtern

Sicherer Hafen

20. Mai 2015 von Wolfgang Köhle

 

Geld hat es gern dunkel, insbesondere Blut- und Diktatorengeld. Vermögensverschleierung, Geldwäsche, Schmiergelder aus autokratischen Regimen, transferiert in die Steuroase Österreich. Dafür wartet nicht der Häfen, sondern der sichere Hafen in Form einer diskret erworbenen österreichischen Staatsbürgerschaft. Wir wahren unsere Interessen, kooperieren mit Diktatoren, Oligarchen und der Mafia. Geld schlägt Moral.

„In den vergangen Jahrzehnten haben sich insbesondere Österreich, Schweiz, Liechtenstein und Deutschland als Fluchtpunkt für Diktatoren-Geld etabliert. Günstige Rahmenbedingungen wie Bankgeheimnis, Privatstiftung, Steuervorteile, Rechtssicherheit, diskrete Anwälte und Wirtschaftsberater sowie eine enge politische Vernetzung haben dabei eine wesentliche Rolle gespielt.”

Das schmutzige Geld der Diktatoren

Wien Kremayr u. Scheriau 2015

Wien Kremayr u. Scheriau 2015

Perfektionsfalle

18. Mai 2015 von Wolfgang Köhle

 

„Ein Wesensmerkmal des Perfektionismus ist das krankhaft überzogene Leistungsdenken, bei dem nur zählt, wer Tadelloses, Bewundernswertes und Außergewöhnliches vorzuweisen hat. Damit bringt sich der Perfektionist in eine Sisyphos-Situation, die oft im Burn-out endet. Dem Perfektionismus liegt eine unfreie, neurotische Angst vor der eigenen Fehlerhaftigkeit zugrunde. Er ist ein unsicherer Mensch, er sehnt sich nach Unantastbarkeit.”

Glücklich ist der/die/das mit Imperfektionstoleranz Behaftete, wer sich und andere in ganzer Fehlerhaftigkeit, Durchschnittlichkeit, Unvollkommenheit und Gewöhnlichkeit annehmen kann, betreffe es Körper, Geist, Arbeitskollegen, ...

„Die Verabsolutierung der Leistung bleibt nicht folgenlos. Sie kann zu einer zwanghaften Fehlhaltung führen: zum Perfektionismus. So entwickelt sich der Perfektionist wider Willen zum Nörgler, notorischen Pessimisten und humorlosen Querulanten. Er weist ein Schwarz-Weiß-Denken auf, eine Alles-oder-nichts-Mentalität: Entweder ist alles perfekt oder es taugt nichts.”

München Pattloch 2014

München Pattloch 2014

50 teils tragikomische, teils erschütternde Patientengeschichten Perfektionismus. Wenn das Soll zum Muss wird

NachtabschnittsgefährtInnen

12. Mai 2015 von Wolfgang Köhle

 

Sind die erotischen Angebote kümmerlich oder ist der eigene libidinöse Marktwert überschaubar, fällt es leicht, (sich) treu zu bleiben. Junge Leute möchten treu sein und können es nicht, Alte möchten untreu sein und können es nicht. Sollte ein Partner aus dem erotischen Gleichgewicht geraten und Urlaub von der Treue machen, gibt es kluge Regeln zu beherzigen. „Das heißt, wenn die Frau zu ihrem Mann sagt: ‚Mein Freund ist ein besserer Liebhaber als du’, kann das deontologisch korrekt sein. Betrachtet man jedoch die Konsequenzen, dann könnte man abwägen: Tut es der Sprecherin gut, weil ihr Mann sie jahrelang vernachlässigt hat und sie die Kränkung mit diesem Satz abgeschüttelt hätte, spricht das dafür, es zu sagen. Es könnte auch die Beziehung verbessern, weil dadurch der Dialog mit dem Ehepartner wieder in Gang kommt. Es könnte sogar unmittelbar zielführend sein, weil der Ehemann das nicht auf sich sitzenlassen möchte und sich mehr Mühe gibt. Aber es könnte auch ruinös sein, wenn der Partner sich verletzt zurückzieht und nicht mehr ansprechbar ist. Die Person, die eine Affäre hat, soll die Beteiligten respektvoll behandeln, auch wenn nicht jede wünschenswerte Schonung möglich ist.”

München Pattloch 2015

München Pattloch 2015

Ein Plädoyer dafür, die Liebe im Fall der Untreue nicht aufzugeben, sie einigermaßen gelassen hinzunehmen, möglicherweise etwas aus ihr zu lernen. Liebe und Sex in Zeiten der Untreue.

Pflanzen retten Pflanzen

8. Mai 2015 von Wolfgang Köhle

 

Die WHO warnt vor dem Breitbandherbizid Glyphosat mit „wahrscheinlich krebserregend”. Für EU-Behörden ist es unbedenklich. Als „harmlos für Nichtzielorganismen” wird das systemisch wirkende Gift unter fröhlich-harmlosen Namen wie „Roundup”, „Clean up” oder „Basta” verkauft.  Es tötet zuverlässig jegliches Wachstum. Schwere Schäden, Missbildungen und Fehlgeburten bei Säugetieren, Bodenorganismen, Insekten, Amphibien und Fischen sind nachgewiesen. Trotzdem hält die EU an der Zulassung fest. Sorglosigkeit und Verharmlosung durch Wahrheitsverweigerung.

 

Es gibt Alternativen zur biologische Einfalt der Totalherbizidität: Biodiversität durch biologischen Pflanzenschutz. Der Großteil der Gartenprobleme läßt sich ohne Einsatz von Chemie und Giften lösen. Der naturnahe Gärtner stellt Pflanzenschutz ohne Chemie selber her, mit Brennnesseljauche & Co.

Graz (u.a.) Stocker 2010

Graz (u.a.) Stocker 2010

Asyl in der Bibliothek

6. Mai 2015 von Harald Weigel

 

„Geschichten von der letzten Printtankstelle vor der Datenautobahn” sagt der Klappentext des 2014 erschienenen Buches von Ulrich Raulff „Wiedersehen mit den Siebzigern. Die wilden Jahre des Lesens.” Ein Bericht aus der Zeit, als das Lesen noch geholfen und Theoretisieren (angeblich) einen erotischen Touch hatte. Die Rezensenten fanden Formulierungen wie: „Warum Bücher, die keiner versteht, länger leben” – „Als Lesen noch sexy war” – „Pack den Derrida in den Tank!”

Ulrich Raulff, Direktor des Deutschen Literaturarchivs in Marbach, 1950 geboren und mit beeindruckender Biographie, blickt zurück auf seine intellektuelle Bewusstwerdung zwischen 20 und 30 in der Abkehr von den Ideologien und Denkstrukturen des 20. Jahrhunderts und liefert ein Portrait der 70er, aber nicht in kultur- oder sozialgeschichtlichem Sinn, eher als Mentalitätsgeschichte. Die Studienzeit in Marburg und Frankfurt, Berlin und Paris, dann Florenz und London passieren Revue anhand von Anekdoten und Erlebnissen, Diskussionen und Lektüren und den Begegnungen mit den Professoren in Deutschland und den späteren intellektuellen Leitfiguren Roland Barthes, Michel Foucault und Gilles Deleuze. Die 70er, das ist die Zeit zwischen Woodstock und dem Tod Michel Foucaults – den Raulff ins Deutsche übersetzt –, von Strukturalismus und Postmoderne in der Absetzbewegung von den marxistischen Dogmatikern.

Stuttgart Klett-Cotta 2014

Stuttgart Klett-Cotta 2014

 

Wo ist der Ort, an dem ich mich finden, mich neu orientieren kann?
„Mein bester Freund war ein défroqué. So nennt man in Frankreich die Männer, die das Priestergewand abgelegt haben und in den Laienstand zurückgekehrt sind. Wir hatten beide Arbeit in einer Bibliothek gefunden, kein schlechter Ort zum cooling down, wenn man erst kürzlich der Kanzel entsagt hatte. Er hatte der Kirche, ich der Universität den Rücken gewandt, beide hatten wir die Freiheit gewählt. Raus aus den Verliesen des Vatikan.” (S. 146)

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