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VLB BLOG - Dezember 2016

 

Homo consumens

16. Dezember 2016 von Wolfgang Köhle

 

Das Motto der geplanten Seestadt in Bregenz (warum heißt ein vom See durch Bahn und Straße abgeschnittenes Gebäude eigentlich Seestadt?) könnte heißen: Ich konsumiere, also bin ich. 

Gerade im Advent ist das Konsumhöllentum offensichtlich. Als ob es nicht schon genügend Konsummenschen, Geschenke und Werbung gäbe. 

 

„Werbung informiert nicht, sondern der größte Teil der Werbung desinformiert. Im Buddhismus ist jede Täuschung, jede Lüge eine ‚Vergewaltigung des Geistes’. Werbung stellt, so sie primär dem monetären Vermögenszuwachs der Werbeunternehmen und Produktanbieter dient, eine geistige Massenvergewaltigung der Konsumenten dar, auch wenn sich diese der Gewalt, die ihnen angetan wird, teilweise gar nicht bewusst sind. Das kapitalistische System Werbung führt dazu, dass profitorientiert und in Konkurrenz stehende Produktanbieter psychologische Handwerkskunst missbrauchen, um Menschen massenhaft zu täuschen, was am Ziel des Wirtschaftens – reale und authentische Bedürfnisse zu befriedigen – doppelt vorbei geht: Die Grundbedürfnisse bleiben unbefriedigt. Und künstlich gewecktes Verlangen wird en masse befriedigt – wenn es nicht Süchte auslöst, die per definitionem gar nicht befriedigt werden können, was wiederum ein strategisches Ziel sein kann oder ein willkommener Nebeneffekt.”

München Europa-Verlag 2016

München Europa-Verlag 2016

 

Weihnachten 2016 bringt das Christkind nichts, im Gegenteil nimmt es jedem einzelnen Überflüssiges weg, wie z.B. Spielzeug, Auto, Fernseher, …  Nur Bücher dürfen bleiben. Bücher kann man nicht genug haben (wenn man nicht gerade eine Bibliothek ist).

 

Nach Geplanter Verschleiß und Gekaufte Forschung, informiert uns Christian Kreiß, Professor für Wirtschaftspolitik, warum wir ohne Werbung viel besser leben könnten.

Ungeduld hat häufig Schuld

13. Dezember 2016 von Wolfgang Köhle

 

Andere Länder, andere Zeit-Sitten. Das Lebenstempo ist je nach Kultur unterschiedlich ausgeprägt.

Der Psychologe Robert Levine kam als Gastprofessor in Brasilien auf die Idee, das Zeitgefühl in verschiedenen Kulturen zu vergleichen. Dazu ermittelte er drei Größen:

 


Die Genauigkeit der öffentlichen Uhren

Die Bedienungszeit im Postamt

Die Geschwindigkeit von Passanten in der Innenstadt

Köln Fackelträger 2016

Köln Fackelträger 2016

 

„Die Uhren gingen in der Schweiz im Durchschnitt nur um 19 Sekunden falsch und in El Salvador am ungenauesten. Das Kaufen einer Briefmarke funktionierte in Deutschland am schnellsten und in Mexiko am langsamsten. In Irlands Städten gingen die Leute am zügigsten und in Brasilien trödelten sie am meisten. In der Gesamtwertung landeten auf den ersten zwölf Plätzen zehn Länder Westeuropas.”

Je reicher ein Land, desto schneller. Hängt das Lebenstempo von der Wirtschaft ab oder ist es umgekehrt? „Beides neigt dazu sich gegenseitig zu verstärken. In den USA lässt sich der Zusammenhang zwischen Ökonomie und Geschwindigkeit innerhalb des Landes beobachten. Verarmte Bevölkerungsgruppen wie die Indianer oder Latinos legen Wert darauf, ihr eigenes weniger hektisches Tempo zu haben.”

 

Lassen wir der Zeit mehr Zeit, so wie es in den Statuten des Vereins zur Verzögerung der Zeit heißt: „Die Mitglieder verpflichten sich zum Innehalten, zur Aufforderung zum Nachdenken dort, wo blinder Aktionismus und partikulares Interesse Scheinlösungen produzieren.”

 

Alles über Die Erfindung der Zeit.

Unartige Schundhefte

7. Dezember 2016 von Wolfgang Köhle

 

Man kann über Ulrich Gabriels (aka Gaul) unartproduktion vieles sagen, nicht aber, dass sie in den letzten Jahren ihr Angebot nicht vielfach vergrößert hätte. Es gibt mittlerweile Sachen für Kinder, es gibt Taschenbücher, Lesebücher, man behandelt im Verlag die Mundart, es gibt einen Kalender, es gibt Malbücher und so weiter. Man kann den Eindruck gewinnen, als wäre es das eigentliche Anliegen des Verlags, herkömmlichen Gattungen (Lesebuch, Kinder-CD, Kalender und Malbuch, um nur einige zu nennen) einen neuen Spin zu geben, um so ihre Qualität, ihre Funktion und auch ihre Aktualität zu überprüfen; das gilt im Übrigen auch für den Begriff der Heimat, an dem sich der Verlag ebenfalls kontinuierlich und auf verschiedenen Ebenen abarbeitet („lies, wo du lebst“). Ein ganz besonderer Coup ist der unartproduktion mit der Initiierung der „Schundhefte“ gelungen, von denen in den letzten Monaten Nummer 11 und 12 erschienen sind. Verfasst haben diese einmal Petra Nachbaur, eine der tollkühnsten Dichterinnen nicht nur Vorarlbergs und nicht nur Österreichs, und Kurt Bracharz, den man mit gutem Recht als einen der versiertesten Schriftsteller nicht nur Vorarlbergs und nicht nur Österreichs bezeichnen darf.

Dornbirn Unartproduktion 2016

Dornbirn Unartproduktion 2016

Petra Nachbaur legt mit „Lele“ einen aberwitzigen Text vor, der sich nicht scheut, in die große Literaturgeschichte – „Lolita“ – hineinzugrätschen, hier wird fingiert gedichtet und minimal behauptet, dass es eine wahre Freude ist; Bracharz legt ein kurzes unfertiges Dada-Tagebuch vor; vielleicht ist das „Scheitern“ der Topos in den Arbeiten von Bracharz, der ins Zentrum seiner literarischen Tätigkeit führt; hier wollte der Autor ein Tagebuch (in dieser Gattung ist er unbeatable) zum 100. Geburtstag von Dada schreiben, aber das ist irgendwie nicht gelungen, dennoch passt gerade dieses Nicht-Gelingen zu Bracharz, passt es zu Dada, passt es zu den Schundheften; man sollte das als Bibliothek ja nicht verlauten, hier sei es aber einmal erlaubt: Abonnieren dringend empfohlen, Lesespaß garantiert.

Je besser desto langsamer

5. Dezember 2016 von Wolfgang Köhle

 

So mancher hat sich die Augen verdorben durch das Nichtlesen. Dagegen hilft nur, sich gesund zu lesen.

Dümmer wird man durch das Lesen jedenfalls nicht. Beweisen können das Lesesüchtige wie Paul Theroux: „Lesen war immer schon meine Zuflucht, mein Vergnügen, meine Erleuchtung, meine Inspiration – mein Hunger nach Worten ist unstillbar und grenzt an Maßlosigkeit; in tatenlosen Momenten ohne ein Buch in der Hand lese ich die Etiketten meiner Kleidung oder die Zutatenliste auf der Cornflakesschachtel. Meine Auffassung von Hölle ist eine Existenz ohne etwas Lesbares, aber meine Hoffnung läge darin, das zu ändern, indem ich etwas schreibe.”

München Prestel 2016

München Prestel 2016

 

Bei Lesen : eine Leidenschaft ohne Grenzen geht es allerdings um eine andere Art von Erlesenem. Es handelt vom Lesen als Motiv, genauer um über Jahrzehnte hinweg in vielen verschiedenen Ländern aufgenommene Fotografien.

Lesen, Lesen, Lesen! Je besser das Buch, desto langsamer.

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