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VLB BLOG - Oktober 2016

 

Philosophische Seelsorge

27. Oktober 2016 von Wolfgang Köhle

 

Theorien scheitern häufig am praktischen Leben, nur ungern hält sich das Leben an Begriffe, vor allem nicht an philosophisch-theoretische. Manche bedauern beharrlich die Tatsachen, die sich nicht an die Theorie halten. Wahre Philosophie ist aber nicht theoretisch, sondern praktisch, heilt Wunden und bewährt sich in allen ÜberLebensfragen. Der wahre Philosoph ist ein Freund (philos) der Weisheit (sophia), er besitzt sie nicht. Vielmehr sorgt er sich um sich, damit er sich um andere sorgen kann.

 

„Was Menschen brauchen und die Philosophie ihnen geben kann, ist Besinnung. Das ist die ‚geistige Nahrung’, die der Philosophie zugeschrieben wird: Gedankliche Anregungen für die tiefgründigere Beschäftigung mit Lebensfragen bieten zu können, damit ein überlegteres Leben und Arbeiten möglich wird, nicht nur im privaten Leben und nicht nur im Krankenhaus, sondern in allen Lebensbereichen. Die philosophische Lebenshilfe dient nicht einer ohnehin vergeblichen Perfektionierung, sondern einem besseren Verständnis des Lebens um einer bewussten Lebensführung, einer Lebenskunst willen.”

Berlin Suhrkamp 2016

Berlin Suhrkamp 2016

 

In Das Leben verstehen berichtet der praktizierende Philosoph Wilhelm Schmid von seinen philosophischen Erfahrungen als weltlicher Seelsorger im Krankenhaus.

Mr. Gaga

24. Oktober 2016 von Kathrin Ambrozic

 

Wer modernen Tanz ein wenig kennt, kennt Ohad Naharin. Der Ausnahmetänzer und Choreograph wird in dem Film „Mr. Gaga” von Tomer Heymann überraschend persönlich, ja mit intimen Einblicken auch in sein Privatleben, das natürlich die choreographischen Tätigkeiten beeinflusst, porträtiert. Im Kino ein Leinwanderlebnis, schafft es auch die DVD in den heimischen vier Wänden zu begeistern. Die Technik, Disziplin und fast Selbstaufgabe der Tänzer der israelischen Batsheva Dance Company vereinen sich mit dem, man kann es nicht anders nennen, Genie des Choreographen, dessen blickgewaltige Choreographien den Zuschauer kaum ruhig sitzen lassen. Der Name des Films bezieht sich auf die Bewegungssprache „Gaga”, die Naharin mit seinem Ensemble entwickelte, aber ein bisschen „gaga” scheint ein Künstler auch sein zu müssen um solche Leidenschaft und Kraft zu erwirken. Wer mehr über die Bewegungssprache erfahren möchte, kann sich zur DVD das Buch „Embodied philosophy in dance : Gaga and Ohad Naharin's movement research” von Einav Katan ausleihen. Beides neu bei uns zu haben.

New York Palgrave Macmillan 2016

New York Palgrave Macmillan 2016

 

Es gibt keine Extras auf der DVD, aber das in den acht Jahren der Produktion aufgezeichnete Material, unveröffentlichte Probenaufnahmen, Privatvideos und neues, bisher unbekanntes Archivmaterial, lassen in den 1,5 Stunden Laufzeit keinen Wunsch offen. Mich überkam beim Schauen des Films die Sehnsucht aufzuspringen und mit den Tänzern zusammen auf die Bühne zu laufen.

Leben oder nicht Leben, das ist hier die Frage

19. Oktober 2016 von Mirella Sprenger

 

Ein Planetentreffen findet statt...die Erde jammert: „Ach ich bin schwer krank. Ich habe Homo Sapiens!”

Meint Mars beruhigend: „Keine Angst - das vergeht wieder.”

 

Offensichtlich hat der gute Mars nicht mit der Hartnäckigkeit dieser „Krankheit” gerechnet, denn aufgrund ihrer Neugier - oder doch eher wegen ihres Verlangens nach neuen Ressourcen?? - steckt er sich sicher bald wieder? bei der Erde an. Vorboten sind die zahlreichen Raumsonden, die Homo Sapiens seit über 50 Jahren in Richtung Mars schickt...mehr oder öfter weniger erfolgreich. Heute versuchen also die Europäer und Russen ihr Glück und wollen auf dem Roten Planeten landen, um dem Ziel, Leben auf unserem Nachbarplaneten nachzuweisen, näherzukommen. Und zugegebenermaßen, auch wenn ich Mars die Krankheit „Mensch” nicht wünsche, die Frage und Suche nach außerirdischem Leben finde ich schon sehr spannend! :-)

 

Wer mehr über den Mars und die Missionen zu ihm wissen möchte, findet natürlich Literatur dazu in der VLB.

Frankfurt/Main Fischer S. 2009

Frankfurt/Main Fischer S. 2009

Une érection ne se discute pas

17. Oktober 2016 von Wolfgang Köhle

 

Une érection ne se discute pas. Darum geht es nicht. Hier geht es um die Orgasmogenese, Noogenese und Egogenese des weiblichen Höhepunkts. Intellektuelle treffen sich um Doktorspiele zu treiben unter dem Vorwand, mit der Unübersichtlichkeit der Welt aufzuräumen. Mittels Grundlagenforschung sollen die biosozialen Prämissen des weiblichen Sexualerlebens im Licht der Hypothese progressiver Subjektivierung des Lusterlebens grunderforscht werden. Zugunsten dieses Vorhabens wird ein Förderungsantrag eingereicht: „Zwischen Biologie und Humanwissenschaften: Zum Problem der Entfaltung luxurierender weiblicher Sexualität auf dem Weg von den Hominiden-Weibchen zu den Homo-sapiens-Frauen aus evolutionstheoretischer Sicht mit ständiger Rücksicht auf die Naturphilosophie des Deutschen Idealismus.”

Desiree hat das Bedürfnis, den Spiegel im Bad abzuhängen und denkt sich: „Von innen her kann ich mich gut leiden, doch das Spiegelbild stört. Eine habilitierte Frau über fünfzig, die nach zwei Uhr früh in den Spiegel schaut, neigt zum Nihilismus. Hingegen, liege ich im Bett und berühre mich, fühlt sich die Sache nicht übel an. Dann höre ich, wie der gute Geist flüstert, mir hätte nichts Besseres passieren können, als in meiner Haut zu stecken.”

Berlin Suhrkamp 2016

Berlin Suhrkamp 2016

 

Wir wissen ungefähr, was wir nicht wissen (wollen). Ob nur die Paläo-Gynäkologen oder alle Intellektuellen spinnen, oder ob der Philosoph Peter Sloterdijk in seinem zweiten Roman gescheit, gescheitert, oder am gescheitesten ist, verrät er uns in seinem zweiten Roman Das Schelling-Projekt.

Entfremdung

12. Oktober 2016 von Wolfgang Köhle

 

Was haben Syrer, Iraker, Afghanen, Libyer, Tunesier, Algerier, Äthiopier, Eritreer, Somalier und Kosovo-Albaner gemeinsam? Außer ihrer Flucht nach Europa genauso wenig wie wir Österreicher mit unseren deutlichen regionalen und kulturellen Unterschieden. DEN Flüchtling gibt es nicht. Trotzdem gibt es Gemeinsamkeiten: etwa die Wertschätzung der Gastfreundschaft in der arabischen Welt, wer beim Appetit schwächelt, gilt als unhöflich, Vegetarier stoßen auf Unverständnis. Iraker fassen es als Beleidigung auf, keine Zeit zu haben, Eritreer sind besonders ehrlich, in Äthiopien wird trotz Verbot Genitalverstümmelung praktiziert, Somalier vom Land sind vorwiegend Analphabeten und haben meist Probleme mit staatlichen Institutionen, Tunesier gelten als friedlich, ausgeglichen und kompromissbereit, für einen Libyer ist ein fester Termin nur eine ungefähre Zeitangabe, die Kompromittierung der Keuschheit und Reinheit einer Frau ist für den dem traditionalistischen Ehrenkodex verpflichteten afghanischen Mann die schlimmste Ehrverletzung und kann nur durch generationenübergreifende Blutrache geahndet werden.

München Riva 2016

München Riva 2016

 

In Presse und Fernsehen „erscheinen diese Flüchtlinge als eine große, einheitliche Gruppe, die sich auf dem Weg befindet. Bei jedem Flüchtling handelt es sich um einen Menschen mit eigener Geschichte, mit eigenem Herkunftsland und eigenem kulturellen Hintergrund. Die Unterschiede können dabei sehr groß sein und der Asylbewerber aus dem Osten Äthiopiens hat wenig mit der Flüchtenden aus den Bergen Afghanistans zu tun. Und sie wiederum unterscheidet sich von dem Migranten aus dem Kosovo ebenso wie von der aus dem Norden von Syrien geflohenen Kurdin. Gemeinsam ist ihnen allen ihre Notlage.”

 

Wer sich über die aktuelle Lage, Menschenrechte, Kultur und Mentalität, Frauenbild, Religion und Sprache der nach Europa kommenden Flüchtlinge genauer informieren will, lese Flüchtlinge verstehen.

Mit dem falschen Fuß richtig aufstehen

7. Oktober 2016 von Wolfgang Köhle

 

Wenn einem im Alter ein Licht aufgeht, wo nicht unwahrscheinlicherweise gar keines ist, spricht man entweder von Altersweisheit oder von Altersverblödung, je nachdem, ob einem der (Un-)Sinn nach „mehr nicht“ oder „mehr Licht“ steht. Ringt das erwachende Bewusstsein im Morgengrauen um Zuversicht, quält es sich mit der Frage nach dem Sinn sinnloser Fragereien und Da-Seiungen. Morgenstund hat nicht nur Gold im Mund, aber wenn der Wurm verschläft, kann der frühe Vogel sch… gehen.

 

„Gestern beim Urologen. Heute eine ‚prinzipielle’ Nacht hinter mich gebracht. Ich nenne eine Nacht prinzipiell, wenn ich wachliege, weil ich mir ‚prinzipiell’ keine Sorgen zu machen brauche. Dass ich mir prinzipiell keine Sorgen zu machen brauche, versicherte mir gestern mein Urologe, nachdem er alle meine Laborwerte mit freundlichem Blick studiert hatte. Allerdings zog mein Urologe plötzlich die Augenbrauen hoch. Dann schaute er mich aufmunternd an, und sagte, er werde mir jetzt eine Überweisung schreiben – es fiel das Wort ‚Feinnadelbiopsie’ –, obwohl ich mir ‚prinzipiell’ keine Sorgen zu machen brauchte. Seither lebe ich im Zustand eines ‚prinzipiell’ Sorglosen, der das erste Mal richtig verstanden zu haben glaubt, was Martin Heidegger meinte, als er den Menschen als ein Sein zur Sorge bestimmte. Es ist nämlich die tägliche Sorge, die uns jener ‚prinzipiellen’ Sorglosigkeit enthebt, welche keine rechte Lebendigkeit aufkommen lässt. Mein Vorsatz für den Tag: Mir Sorgen machen, aber so richtig!”

Paderborn Fink 2017

Paderborn Fink 2017

 

Der Philosoph Peter Strasser hat mit MorgenGrauen ein Journal zum philosophischen Hausgebrauch geschrieben.

Im Schützengraben

4. Oktober 2016 von Wolfgang Köhle

 

„Wie aus dem Sarge genommen, vom Grauen durchsättigt, verloren wären die Männer gewesen ohne den Rausch. Was soll ich eure Nerven schonen? Lag ich nicht selbst vier Tage lang in einem Hohlweg zwischen Leichen? Waren wir da nicht alle, Tote und Lebendige, mit einem dichten Teppich großer, blauschwarzer Fliegen bedeckt? Gibt es noch Steigerung? Ja: es lag dort mancher, mit dem ich manche Nachtwache, manche Flasche Wein und manches Stück Brot geteilt. Wer darf vom Krieg reden, der nicht in unserem Ring stand?”

 

Ernst Jünger hat sich, wie der Großteil der Gymnasiasten jener Jahre, sofort nach der Ausrufung der Mobilmachung am 1. August 1914 euphorisch zum freiwilligen Kriegsdienst gemeldet. „Das Grauen, die Angst, die Ahnung der Vernichtung und das Lechzen, sich im Kampfe völlig zu entfesseln.” Beide Weltkriege hat er in seinen autobiographischen Büchern schonungslos und kriegsidealistisch festgehalten. In der Ansprache zu seinem hundertsten Geburtstag scheint ihm, auf sein Leben zurückblickend, „dass ich es als Leser verbracht habe. Das mag verwunderlich klingen – doch habe ich von Werken und Taten zuerst aus Büchern erfahren, also platonisch – den Ariost habe ich in der Kartentasche mitgeführt, und bin dann durch die Realität enttäuscht worden. So auch durch die Kriege. Karl Marx hat es auf die Formel gebracht: ‚Ist eine Ilias möglich mit Schießpulver?’ Das ist das Problem.”

 

Krieg als inneres Erlebnis

Stuttgart Klett-Cotta 2016

Stuttgart Klett-Cotta 2016

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