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VLB BLOG - Oktober 2017

 

In Umarmung des Todes

31. Oktober 2017 von Wolfgang Köhle

 

Das letzte Buch des preisgekrönten Autors Peter Esterhazy ist das Krebstagebuch seines letzten Jahres, mit dem er betender-, singender- und spottenderweise gegen seinen Bauchspeicheldrüsenkrebs anzukämpfen versucht. Was passiert - in Umarmung des Todes - mit der Heiterkeit?

 

9. Juni 2015

Ich habe Angst. Oder ist das Furcht? Die Bauchspeicheldrüsenfee sagt mir, hier könne ich meine Heiterkeit einpacken. Dass die Kommunisten auch durch das Lachen besiegt wurden, durch das Auslachen, und dass das auch mit dem Krebs funktioniere, entgegne ich. Ich möge mein Leben radikal über-, durch- und neu denken.

 

2. Dez. 2015

Weil mir das Herz gestern bis zum Abend schwer geworden war, erwachte ich heute deprimiert. Ich deprimiere. Das sollte ich irgendwo loswerden und dann arbeiten.

München Hanser Berlin [2017]

München Hanser Berlin [2017]

 

10. Dez. 2015

In der Morgenstunde gab es wieder einiges an Innehalten, wie ein Filmriss, ich stehe da, schaue vor mich hin und denke nicht einmal an nichts. Auch daran nicht, woran ich überhaupt denken sollte. Dann ein Blick in den Spiegel und mir kommen die Tränen, fast schon vor Selbstmitleid.

 

Bauchspeicheldrüsentagebuch

Hor(r)ologie

19. Oktober 2017 von Wolfgang Köhle

 

Zeit wird zwar gemessen, kontrolliert, verkauft und verschwendet, aber besitzen kann man sie nicht. Weil die Zeit außerhalb von uns gar nicht existiert. Nicht die Zeit vergeht, wir vergehen. „Die Uhr ist etwas Interessantes, weil wir sie nicht auf die gleiche Art als ein Stück Technik betrachten wie Handys und Computer. Die meisten Technologien, die schon zehn Jahre alt sind, wirken unglaublich überholt; wenn ich also ein zehn Jahre altes Telefon nehme, lässt mich das ganz schön exzentrisch aussehen. Aber Sie tragen Ihre Armbanduhr aus den Fünfzigern, und das wirkt gar nicht auffällig. Heutzutage haben alle das gleiche Telefon, aber Uhren sind eines der wenigen äußerlichen Zeichen für Persönlichkeit geblieben.”

 

Die Kunst des Verweilens kann man lernen. Das Leben ist kurz, also Carpe diem et carpe noctem. Alle, die auf Zeitmanagement-Ratgeber pfeifen, sind nicht im Zeitfieber.

Darmstadt Theiss [2017]

Darmstadt Theiss [2017]

Weltepos

18. Oktober 2017 von Wolfgang Köhle

 

„Da ist der Hügel des Klaratsbergs, dort die gekappte Flanke der Hohen Niederen und die Horizontlinie der Kanisfluh, aus der die Mittagsspitze hervorsticht. Da sind Höfe und Häuser, die Masten einer Stromleitung, ein Kirchturm, an der Unterseite graue Wolken, das dunkle Grün des Waldes vor dem helleren der Wiesen, das Blau des Himmels, die stechende Sonne im Augenwinkel, die vom Fenster reflektierte Hälfte meines Gesichts, Stühle, der Tisch und eine Liege, Holz, Mauern, Wege, ein Hund, Nachbarn, Sommerkleider, Augen, Haut, Fleisch und Knochen, ohne dass ich wirklich sehe, was: nur dass sie sind. Alles ist da, jetzt, vorhanden, voll und dennoch flächig, gleichsam überhängend.”

München Der Hörverlag [2016]

München Der Hörverlag [2016]

 

Der im Bregenzerwald lebende Dichter Raul Schrott verbindet das Wissen der Welt mit Literatur und Poesie, indem er wissenschaftliche Erkenntnisse literarisch umsetzt und sie an einzelnen persönlichen Lebenserfahrungsgeschichten veranschaulicht. Das Erste Erde Epos – eineinhalb Kilogramm Buch oder das leichtere Hörbuch – erzählt in einem Langgedicht die Geschichte der Welt vom Urknall bis zur Entstehung des Lebens und der Evolution des Menschen.

Warum wir Irre wählen

13. Oktober 2017 von Wolfgang Köhle

 

Mehr dirty als campaigning ist die Wahlpropaganda der Nationalratswahl 2017. In der Giftküche sorgen Angstpolitiker, Maulwürfe, Doppelagenten und koalitionäre Schmutzkübler für Entgleisungen. Wahlentscheidend ist das Flüchtlingsthema. In Wahrheit geht es aber um die Frage der Verteilungsgerechtigkeit: Sind Österreicher für die Umverteilung zu jenen, die mehr haben als sie brauchen, oder zu Menschen, die weniger haben als sie benötigen? Die gerechte Lösung: Reiche Eltern für alle!

 

Im WahlKrampf wird gelogen wie „gedruckt”. Verlässliche Quellen (nicht nur in gedruckter Form) für den Faktencheck im Zeitalter von Postfaktizität, Fake News und alternativer Fakten sind und finden sich in Bibliotheken. Darüber hinaus wissen Leser, Warum wir Irre wählen.

Hamburg Hoffmann und Campe 2017

Hamburg Hoffmann und Campe 2017

Vive la France

11. Oktober 2017 von <link wer-sind-wir mitarbeiter koehle-wolfgang.html internal-link>Wolfgang Köhle

 

Que ce soit la littérature, la cuisine française, la culture de la France, ou l'hospitalité française etc., les Frankophiles de tous les pays s'unissent – VIVE LA FRANCE

 

Heuer feiert der Passagen-Verlag seinen dreißigsten Geburtstag. 30 Jahre Passagen – das heißt über 1000 Bücher engagierten kritischen Diskurses. Beim Auftritt Frankreichs als diesjähriges Gastland der Frankfurter Buchmesse wird die Bedeutung des Passagen-Verlages für den intellektuellen Austausch zwischen Österreich und Frankreich besonders deutlich. Der Gründer Peter Engelmann meint zu Recht mit Stolz: „Ich denke, das Geheimnis des Passagen Erfolges ist, dass die Auswahl der Titel und die Arbeit mit unseren Autoren, die so oft unsere Freunde waren oder geworden sind, klaren politischen und philosophischen Ideen folgt, einfachen, transparenten Leitlinien, die für jeden erkennbar sind und die unter einem Dach eine große Vielfalt von Positionen, Zugängen und Schreibweisen ermöglichen. So finden Sie bei uns seit dem ersten Programm die Bücher von Sarah Kofman, Jean-François Lyotard, Jean Baudrillard, Jean-Luc Nancy und Jacques Derrida. Später kamen Autoren wie Slavoj Žižek, Jacques Rancière, Alain Badiou oder Hélène Cixous hinzu, die wir bis heute dem deutschsprachigen Publikum nahezubringen versuchen. Immer wieder entwickelt sich das Programm mit einer neuen Generation kritischer Denker weiter, wie zuletzt mit Grégoire Chamayou oder Ivan Segré aus Frankreich.”

Über Grenzen gehen

9. Oktober 2017 von Wolfgang Köhle

 

Über zwei Milliarden Menschen leben in Armut und leiden unter Hunger, Unterdrückung und Krieg. Derzeit gibt es weltweit 65 Millionen Flüchtlinge. Wann ist genug genug, wo sind die Grenzen der Unzumutbarkeit, wo überschreiten wir die eigenen Grenzen, für die Aufnahmepflicht gegenüber Migranten zu argumentieren? „Jemand kommt an einem Teich vorbei und sieht, dass eine Person zu ertrinken droht. Dann ist es offenkundig seine Pflicht, den Ertrinkenden zu retten, auch dann, wenn dies bedeutet, dass seine Kleidung dabei nass wird. Die wohlhabenden Länder haben eine moralische Pflicht, ihre Grenzen jedenfalls so lange offen zu halten, bis die Belastungen durch die Aufnahme unzumutbar groß werden. Peter Singer und zahlreiche philosophische Befürworter offener Grenzen fügen die empirische und wohl auch meist zutreffende Einschätzung hinzu, dass die Unzumutbarkeitsgrenze, also die Grenze, ab der die Belastungen der aufnehmenden Gesellschaft unerträglich werden, angesichts des unterdessen etablierten Wohlstands in den Reichtumsregionen der Welt sehr hoch angesetzt werden kann. Auch eine Verdoppelung oder Verdreifachung der Wohnbevölkerung  in einem überschaubaren Zeitraum sollte dann nicht als unzumutbar gelten.”

Hamburg Edition Körber-Stiftung 2017

Hamburg Edition Körber-Stiftung 2017

 

Die Migrationspolitik scheint auch in Österreich das wahlentscheidende Thema zu sein. Parteien mit migrationsethischen Argumenten, die auf Werten und Normen der Humanität beruhen, scheinen bei dieser Wahl die sicheren Wahlverlierer zu sein.

 

Eine Ethik der Migration: Über Grenzen denken.

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