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VLB BLOG - April 2018

 

Homo musicus

26. April 2018 von Wolfgang Köhle

Musik ist ein Geschenk. Aber geschenkt bekommt man sie nicht, denn „man muss das Hören von Musik lernen, die Langzeit-Kunst des Entgegenhörens, des Nachhörens und Erinnerungshörens. Um die Werke der ernsten Musik wirklich erfahren zu können, muss man sie verstehen, benötigt man Wissen, benötigt man: Bildung!”

Für Menschen wie Friedrich Nietzsche wäre das Leben ohne Musik ein Irrtum, für andere, wie Hector Berlioz, war Musik DIE Rettung: „Ich habe nur eine einzige Möglichkeit gefunden, meinen gewaltigen emotionalen Hunger zu stillen: die Musik (…). Ich lebe allein für die Musik, sie ist das Einzige, was mir über diesen Abgrund voller Elend hinweghilft.”

Warum soll der Hörer weniger üben als der Musiker? Aux armes, citoyens! Vorwärts Kameraden, wir ziehen in den KlassikKampf.

Berlin Matthes & Seitz Berlin 2017

Berlin Matthes & Seitz Berlin 2017

Das Vertraute unvertraut machen

17. April 2018 von Wolfgang Köhle

Zygmunt Bauman (1925–2017) war und ist eine Ausnahmeerscheinung. Sein Interesse galt nicht den Gewinnern, sondern den Verlierern, den Entwurzelten, Entrechteten und Unterprivilegierten.  

„Der Machtverlust der Gewerkschaften hat den kollektiven Selbstschutz ausgehöhlt. Mit dem Abbau staatlicher Sicherungssysteme gegen Schicksalsschläge und individuelles Scheitern sind die sozialen Grundlagen gesellschaftlicher Solidarität weiter untergraben worden. Jetzt ist es Sache des Einzelnen, selber eine Lösung für Probleme zu suchen, die er nicht verursacht hat. Er ist vollkommen auf sich allein gestellt, ohne Hilfsmittel und Ressourcen, die für diese Aufgabe nötig wären. Wie soll man Solidarität üben, wenn man wie heute seinen Arbeitsplatz ständig wechseln muss?”

Im Gespräch mit Peter Haffner über sein Lebenswerk analysiert Zygmunt Bauman die Probleme und Widersprüche unserer Gesellschaft. „Solidarität können nur diejenigen üben, die sie eigentlich nicht nötig haben.” Die zentrale Aufgabe schlechthin ist: 

Das Vertraute unvertraut machen

Hamburg Hoffmann und Campe 2017

Hamburg Hoffmann und Campe 2017

Sich selbst zerstörende Prophezeiungen

10. April 2018 von Wolfgang Köhle

Leichter, als sich zu verlieben ist nur sich zu entlieben. Das Schwierigste aber ist: in der Liebe zu verweilen. Damals, als ihre Liebe noch ganz frisch war, hat Violenta ihrem Martin nicht geglaubt, doch er blieb beharrlich. „ ‚Irgendwann wirst du nicht mehr neben mir liegen wollen, wahrscheinlich schon bald ... Bald wirst du einen möglichst großen Abstand zwischen uns bringen wollen.’ ... sie lachte, wuschelte ihm durch die Haare, legte ihren Kopf in seine Armbeuge, küsste ihn auf die Brust und sagte: ‚Ich werde immer gerne bei dir sein. Das ist gar nicht anders möglich.’ ... Daran musste sie jetzt oft denken, wenn ihr seine Nähe körperliches Unwohlsein bereitete. Im Auto, viel zu nah, im Bett, viel zu nah, am Küchentisch, viel zu nah. Wie ein Fluch hatten sich seine Worte bewahrheitet.”

Und da es nun einmal im Leben nur selten sich selbst zerstörende Prophezeiungen gibt, fand sie, als sie ihn nicht mehr liebte, die Vorstellung ekelhaft „die Luft einzuatmen, die aus seinem Mund strömt, die schon eine Runde durch seinen Körper hinter sich hat, Second-Hand-Luft.”

Zwei Frauen, ein Mann, Liebe, Eifersucht, Rache: Die Unversehrten. Roman von Tanja Paar

InnsbruckWien Haymon-Verlag 2018

InnsbruckWien Haymon-Verlag 2018

Duldet kein ungelesenes Buch!

4. April 2018 von Wolfgang Köhle

„Möchtest du eine Figur in meinem Roman werden? Tritt ein in das Land der Möglichkeiten. Das Land der Unsterblichkeit: die Oase der Literatur inmitten der Fata Morgana der Wirklichkeit, das Land der Illusion, die dadurch, dass sie sich als Illusion erkennt, wirklicher ist als jede handfeste Wirklichkeit.”

Gedanken nutzen sich sehr rasch ab. Man braucht einen Gedanken nur auszusprechen und schon verliert er den Glanz des Unausgesprochenen. Tippt man ihn sogar, wird er unbrauchbar. Nicht so bei Hermann Burger, sprachlicher Virtuose, irrenhausnaher Büchernarr, Sonderling.

„Wie sagt man einem jungen Menschen, er solle am besten aufhören zu schreiben? Wie sagt man’s, ohne ihn so stark zu verletzen, dass er aus Trotz gegen das Orakel erst recht schreibt und nicht nur schreibt, sondern gar noch gut schreibt? Wie verhindert man, dass einem Jungen das auch nur halb gelingt, was mir, dem Kritiker, vor zwanzig Jahren misslungen ist? Wie verhindert man halbbatzige Literatur, aus der noch einmal, aber ohne meinen Segen, etwas Rechtes werden könnte?”

Lesen Sie, was das Zeug hält! Dulden Sie keine ungelesenen Bücher! Lokalbericht von Hermann Burger, aus dem Nachlass, schon gar nicht.

Berlin De Gruyter [2016] Zürich Edition Voldemeer [2016]

Berlin De Gruyter [2016] Zürich Edition Voldemeer [2016]

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