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VLB BLOG - März 2018

 

Info-Veganismus

27. März 2018 von Wolfgang Köhle

Fastenzeit – last Minute:
Iss. Nicht zu viel. Vor allem Pflanzliches und: Informiere dich richtig!
Das heißt: gar nicht. Vor Informationsfettleibigkeit schützt nur Informationstherapie:
Fernhalten von Nonsens und industriell erzeugten Informations-Inhaltsstoffen der Content- und Big-Data-Mafia (Information ohne Form ist wie ein Kübel Wasser ohne Kübel). 

Es ist Zeit für Informationskompetenz.
Höchste Zeit, sich aller überflüssigen Information zu entledigen.
Es ist Zeit für The information diet:  A case for conscious consumption.
 

Gut, besser, best

23. März 2018 von Wolfgang Köhle

Der guten (und schlechten) Bücher gibt es so viele, dass jede Empfehlung eines einzelnen Buches alle anderen ausgrenzt. Aber wie das geeignetste, das beste, das lesenswerteste Buch aus jährlich 100.000 Neuerscheinungen allein im deutschsprachigen Raum finden? 
Die Lösung lautet – gut, besser, best – Bestseller: Aber was ist ein Bestseller? „Klar: das Buch, das sich am besten verkauft. Streng genommen dürfte es nur einen einzigen Bestseller geben. Dieses eine wäre dann die Bibel als Longseller schlechthin, mit einer Gesamtauflage von zwei bis drei Milliarden. Aber die Bibel taucht in keiner Bestsellerliste auf. Zudem haben sich Listen für Taschenbücher und Paperbacks etabliert, und es gibt spezielle Listen aus unterschiedlichen Genres: Sachbücher, Belletristik, Kinderbücher, Kriminalromane, Hörbücher, Reisebücher, Kochbücher ect. Das ist ziemlich viel Bestverkauftes gleichzeitig, und von Woche zu Woche ergeben sich dann schon wieder andere, neue Konstellationen.”

Sorge dich nicht, was andere lesen. Lies einfach. Bestseller.

Hamburg Hoffmann und Campe 2018

Hamburg Hoffmann und Campe 2018

No Sex, no Drugs and no Rock ’n’ Roll

20. März 2018 von Wolfgang Köhle

Es ist vorbei. Kein Geld (mehr), kein Sex (mehr), nichts rockt (mehr). Game over. Nach der Pleite seines Plattenladens fällt der einst coole Hund und Vinyldealer Vernon Subutex auf die depressive Seite von Paris. Er lernt die Tristesse der Arbeitslosen über 50 und den Verlust von Selbstachtung kennen. Das Arbeitslosengeld wird gestrichen, das Obdachlosenleben beginnt. Der letzte Rest Charme löst sich in Verwahrlosung und Verzweiflung in der Gosse auf. Noch hofft er auf Erlösung, aber „das Problem mit der Erlösung ist, dass es sich anfühlt, wie von Crack auf Kamille umzusteigen: Man ahnt, dass es ganz toll ist, aber im Moment ist es erst einmal weniger lustig.”

Wie es weitergeht mit unserem Neo-Clochard erzählt der soeben erschiene Band 2 der Triologie Das Leben des Vernon Subutex von Virginie Despentes.

Köln Kiepenheuer & Witsch 2018

Köln Kiepenheuer & Witsch 2018

Armut wird nicht von Armen geschaffen

16. März 2018 von Wolfgang Köhle

Die Armen müssen ärmer werden, sonst arbeiten sie nicht.
Die Reichen müssen reich bleiben, sonst investieren sie nicht.
Das ist neoliberaler Konsens. Dem widerspricht Johann Nestroy: „Über die Armut braucht man sich nicht zu schämen, es gibt mehr Leute, die sich über ihren Reichtum schämen sollten.”

„Während bei Armen das physische Überleben eine Grenze markiert, ist die Maßlosigkeit der Reichen nach oben offen. Bei Armen lautet eine entscheidende Frage, ab welchem Schwellenwert sie nicht mehr an gesellschaftlichen Prozessen teilhaben können. Beim Reichtum ist die Frage, ab welcher Höhe monetärer und nicht-monetärer Ressourcen reiche Menschen Gemeinschaft und Gesellschaft verlassen, weil sie dann ihr Leben jenseits öffentlicher Räume und Institutionen gestalten können.”

Handbuch Reichtum. Soziologische, historische, rechtliche und kulturwissenschaftliche Erkenntnisse aus der Ungleichheitsforschung zur Verteilung von Einkommen und Vermögen auf globaler, europäischer und österreichischer Ebene.

InnsbruckWienBozen StudienVerlag [2017]

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Simsalabim

14. März 2018 von Wolfgang Köhle

Die Welt platzt vor Information. Paradoxerweise wird immer weniger (zusammenhängend) gelesen. Vielleicht werden nur Kurztexte wie Aphorismen, Maximen, Haikus oder Kurzgedichte als einzige literarische Form überleben. Oder, Simsalabim, warum nicht, „nur” Zaubersprüche.

„Nicht die Kleinheit der Form steht im Fokus, auf die man sich aus gattungstheoretischer kulturwissenschaftlicher Perspektive konzentriert hat, sondern die Chance und das Risiko einer Subversion der Textebene: Literatur in einem Satz, als Aphorismus oder Fragment, aber auch als flash fiction oder Lyrik, steht nach dem Urteil der quintilianischen Rhetorik im Verdacht der Dunkelheit: Denn wenn die relative Idealgröße der Kürze (brevitas) unterschritten wird, droht die Schwerverständlichkeit der obscuritas. Teil des ethischen Profils unserer Frage ist daher, inwiefern die Unterbietung der Textebene im Einzelsatz diesem einen Anspruch auf Vollständigkeit einräumt, die nur in der Imagination und Interpretation einer wiederholten Lektüre approximativ geleistet werden kann?”

Nanotextualität : Ästhetik und Ethik minimalistischer Formen

Paderborn Fink 2017

Paderborn Fink 2017

Der Mensch ist, was er denkt

9. März 2018 von Wolfgang Köhle

Wir alle haben mehr Liebe notwendig, als wir verdienen. Oder, wie es Friedrich Hebbel in seinen Tagebüchern formuliert: „Der Mensch will Brutto geliebt werden, nicht Netto.”
In der neuen historisch-kritischen Ausgabe seiner Tagebücher sind Sätze zu finden wie: 

Was ist doch ein Mensch, dem die Form fehlt: ein Eimer voll Wasser ohne dem Eimer.

Zur Wahrheit wollte ich schon kommen, hätte ich nur Zeit zu irren.

Wahrheit ist der Punkt, wo Glauben und Wissen einander neutralisieren.

Es gibt keine reine Wahrheit. Aber ebensowenig einen reinen Irrtum.

„Er übertrifft sich selbst.” Was freilich in den meisten Fällen sehr leicht ist.

Hebbel hatte Menschenkenntnis, so wie auch Henry David Thoreau, der schreibt, dass er „den ganzen Tag in angenehmer Gesellschaft war, bis Besuch kam.”
Jeder kennt Menschen, die ihrer selbst so überdrüssig sind, dass sie sich nur in Gesellschaft ertragen können. Übertroffen werden sie nur von Misanthropen, die sich nicht außerhalb der Gesellschaft, sondern nur außerhalb der Menschheit wohl fühlen. Dazu Friedrich Hebbels Tagebucheintrag:

Wenn ich eine schlechte Gesellschaft los bin, empfinde ich erst recht, wie gut meine eigene ist.

Kritikenthaltungsstrategie oder Die größten Kritiker der Elche sind selber welche

6. März 2018 von Wolfgang Köhle

Wer kann, der kann, wer nicht kann, wird Kritiker. Der Weise aber enthält sich jeglichen Urteils (auch und v.a. der Selbstkritik). Nicht philosophisch, dafür umso praktischer ist die Kritikenthaltungsstrategie. Wir alle reagieren auf Kritik empfindlich, Einwände sind schnell bei der Hand. Je häufiger Kritik geübt wird, je öfter wir hinterfragt werden, desto schneller lernen wir unsere eigenen Gegenargumente auswendig. Ein Argument, mehr als drei Mal vorgebracht, zementiert also nur die Gegenposition. Aber so unlogisch es klingt: Dem Teufelskreis der Kritik können wir nur mit dem Üben von Kritik entkommen. Kritik muss geübt werden: üben, üben, üben, …

In Kritik üben. Die feine Kunst des Urteils geht es aber um Kunstkritik
„Die Kunst ist dazu da, unser Denken zu befreien, und die Aufgabe der Kritik ist es, herauszufinden, was wir mit dieser Freiheit anfangen sollen. Dass jeder ein Kritiker ist, heißt (oder sollte heißen), dass wir allesamt in der Lage sind, gegen unsere Vorurteile anzudenken, eine Balance zwischen Skepsis und Aufgeschlossenheit zu finden, unsere abgestumpften und übersättigten Sinne zu schärfen und gegen die intellektuelle Trägheit anzukämpfen, die uns umgibt.”

München Carl Hanser Verlag [2017]

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