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Babenwohl


Die Erbauung des Edelsitzes Babenwohl ist in die zweite Hälfte des 14. Jahrhunderts anzusetzen. Die ältesten Mauerteile im Südflügel des heutigen Verwaltungstraktes der Vorarlberger Landesbibliothek stammen noch aus dieser Zeit. Einst kam dem Anwesen, dessen Güter in einer Urkunde aus dem Jahre 1249 ihre früheste Erwähnung finden, aufgrund seiner strategisch wichtigen Lage eine militärische Bedeutung zu – als Vorwerk zur Verteidigung der Burg auf dem Schossberg ebenso wie bei der Sicherung der damals einzigen Verbindung zwischen Bregenz und dem südlichen Rheintal, einer Brücke über die Bregenzerach beim Gut Liebenstein im heutigen Kennelbach.

 

In den Urkunden dieser Zeit wird der Ansitz „Babenboll“ genannt, der Bühel (Bol) des Babo, womöglich in Erinnerung an einen Grundbesitzer aus alemannischer Zeit. Eine alte Überlieferung bringt den Namen mit Babolenus, einem der Gefährten des hl. Gallus, in Verbindung.

Besitzgeschichte

Das Gut Babenwohl war eines der zahlreichen montfortischen Lehensgüter, die am Rande des alten Stadtgerichtsbezirkes lagen. Das nach der Teilung der Herrschaft Bregenz (1379) angelegte Minnesängerurbar des Grafen Hugo XII. von Montfort-Bregenz nennt einen Jäck Keller als Inhaber des Lehensitzes. Von sinem guot ze Babenbol entrichtet dieser eine jährliche Abgabe von 2 ½ Pfund Wachs an die Burgkapelle auf dem Gebhardsberg. 

Für die folgenden Jahrzehnte lassen sich eine Reihe weiterer Lehensnehmer nachweisen. Der österreichische Landammann Boch verkauft das Anwesen im frühen 15. Jahrhundert an den Bregenzer Bürger Joß Weiß, dessen Tochter Anna bringt das Gut 1480 als Mitgift in die Ehe mit Konrad Bützel ein. Klaus von Villenbach, Schwiegersohn des Ehepaars Bützel, lässt Babenwohl schließlich zu einem Edelsitz ausbauen: Die heute noch vorhandenen abgetreppten Zinnengiebel, die Spitzbogenfenster im Erdgeschoss und die spätgotische Balkendecke im ersten Obergeschoss sollen auf diesen Umbau zurückgehen. Bis ins 19. Jahrhundert hinein erinnerte die auf einer Säule zwischen zwei Fenstern eingemeißelte und zugleich auf einen Türrahmen aufgemalte Jahreszahl 1523 an den Wandel der kleinen Burg zu einem Schlösschen. Klaus von Villenbach ist es auch, der sich 1509 erstmals Herr zu Babenboll nennt.

Für das 16. Jahrhundert können eine Reihe weiterer Besitzer des Landgutes Babenwohl, das im Zuge des Verkaufs der zweiten Hälfte der Herrschaft Bregenz an die Habsburger 1523 zu einem österreichischen Lehen wird, namhaft gemacht werden. Nicht immer lässt sich jedoch der Wechsel der Liegenschaft von einem Besitzer zum nächsten nachweisen. Jörg Schilling von Wildegg, vermutlich der Schwiegersohn Klaus von Villenbachs, erscheint in den Quellen nicht nur als Kriegsherr, sondern auch als Betreiber eines Weinschanks direkt beim Schlösschen. Durchaus denkbar, dass schon damals der südliche Abhang unter dem Gebäude mit Weinreben bepflanzt war. Ihm, Jörg Schilling, folgt 1557 sein gleichnamiger Sohn, diesem wiederum recht bald ein Wolf Heinrich von Stein zu Babenwohl, der sich auch „von Klingenstein“ nennt. Zwei seiner Söhne, Hans Rudolph und Hans Adam, verkaufen Babenwohl in den 1570er Jahren an den Bregenzer Bürger Friedrich Rainolt.

Hans Konrad Merker von Balzheim ist für lange Zeit der letzte adelige Besitzer des Schlösschens Babenwohl. Bereits ein Jahr nach dem Erwerb verkauft er das Anwesen 1591 um 3600 Gulden an die Prämonstratenserabtei Weißenau bei Ravensburg. Aber auch das Kloster behält das Landgut nicht lange. 1601/1602 geht Babenwohl in den Besitz des um 1086 gegründeten und 1095 von Andelsbuch nach Bregenz verlegten Benediktinerklosters Mehrerau über.
 

Dem Kloster Mehrerau dient der Landsitz vorwiegend zur Winterung des Alpviehs in den angebauten Stallungen. Das Wohngebäude selbst soll in Notzeiten als Unterschlauf und Herberge Verwendung finden, etwa dann, wenn das Wasser der Bregenzer Ache oder des Bodensees den Konvent zur Flucht zwingt, und wird – da der städtischen Jurisdiktion unterworfen – ausschließlich an Stadtbürger verpachtet. Für die folgenden 200 Jahren sind lediglich zwei dieser Pächter namentlich bekannt: Jakob Grüßing (1660) und Ammann Vögel (1792).

Nur wenige Monate nachdem Österreich im Frieden von Preßburg vom 25./26. Dezember 1805 Vorarlberg und Tirol am 13. März 1806 an das Königreich Bayern abtreten muss, wird das Benediktinerkloster Mehrerau am 1. August 1806 aufgehoben. Damit fällt auch der Ansitz Babenwohl an Bayern.

Ansicht Babenwohl (Merian, um 1650)

Ansicht Babenwohl (Merian, um 1650)


Nach der Rückkehr Vorarlbergs zur österreichischen Monarchie 1814 wird das Landgut dem österreichischen Ärar übergeben, der es 1833 einem gewissen Plazidus Schilling veräußert. Dieser nutzt die Liegenschaft als landwirtschaftliches Gut, vom Gebäude selbst ist bereits 1831 zu lesen, dass es noch besteht, aber baufällig ist und zu Grunde geht.

Ernst Freiherr von Poellnitz

Freiherr Ernst von Poellnitz

Freiherr Ernst von Poellnitz

Am 11. Oktober 1854 erwirbt der 1813 im fränkischen Bayreuth geborene Ernst Freiherr von Poellnitz das Schlösschen Babenwohl um 8.000 Gulden. Nicht ganz ein Jahr zuvor hat er seinen bisherigen Wohnsitz, das nur wenige hundert Meter entfernte Schloss Riedenburg, um 49.500 Gulden an die Ordensgemeinschaft vom Heiligsten Herzen Jesu aus Kinzheim in der Nähe von Colmar im Elsass veräußert.

Unklar bleibt, welche Gründe für den Wechsel des Wohnsitzes ausschlaggebend waren, auch wenn die Vorarlberger Schriftstellerin Grete Gulbransson (1882-1934), die Enkelin von Poellnitz, dazu eine Geschichte zu erzählen weiß.


Auf seinen Streifzügen durch die Landschaft soll Poellnitz einmal von ungefähr in die Ruinen des montfortischen Vorwerks Babenwohl am Fuß des Gebhardsberges geraten sein. Mit Benutzung der alten Mauern hatte sich dort ein Bauer [der bereits genannte Plazidus Schilling] seine Wohnstätte errichtet, die den Freiherrn natürlich ganz besonders ansprach. Er beschaute und befühlte und beklopfte jeden Winkel der unscheinbaren Behausung und richtig: Bei der Stubendecke des Bauern stutzte er. Sie klang so merkwürdig hohl. Sogleich erbat er sich von dem Besitzer die Erlaubnis, auf eigene Kosten die Decke aufbrechen lassen zu dürfen, und stand bald, wie er vermutet hatte, vor einem gotischen Balkenwerk mit goldenen Rosen, das unter der niedrigen Holzverkleidung unversehrt zum Vorschein kam.
Dies war ein großer Augenblick für den Freiherrn. Er sah das romantische Gerümpel als Schicksalsgeschenk seiner Wahlheimat an und ruhte nicht, bis er in den Besitz des uralten Vorwerks nebst seinem sagenhaften Schatz, seinen Geistern und vor allem: seiner gotischen Decke gelangte.


Alsbald lässt Poellnitz das Babenwohl vom Bregenzer Baumeister Gabriel Mallaun nach eigenen Plänen zu einem herrschaftlichen Anwesen umbauen: In 24 Stunden war der Bauplan von mir entworfen, an welchem auch nicht ein Jota abgeändert wurde. Die Arbeiten nehmen mehr als ein Jahr in Anspruch und geben dem Gebäude seine bis heute erhaltene Struktur. Am 17. April 1855 bezieht die Familie mit mittlerweile sechs Kindern ihr neues Heim.

In diesen Gemäuern, dem romantisch-schönen Hintergrund für sein [Poellnitz] märchenhaftes Großtun, für das Schwelgen in einem durch keine Pflicht gestörten Herrentum, entfaltet sich fortan ein gesellschaftliches Leben, das sich stark von der von bäuerlichen Strukturen geprägten Gesellschaft Vorarlbergs abhebt und somit Aufsehen erregt – ganz besonders als sich die älteste Tochter Vanda – sehr zum Missfallen ihres Vaters – 1879 in zweiter Ehe mit dem aus bäuerlichen Verhältnissen stammenden Bludenzer Maler Jakob Jehly vermählt.

Ernst von Poellnitz genießt das höfische Leben, das in Babenwohl Einzug gehalten hat, sichtlich. Immer war man hier im Schwung, zu Roß und zu Wagen, auf Segelpartien, Picknicks und Jagden: alle ländlichen Freuden lösten einander in unaufhörlicher Folge ab. Unentwegt notiert Poellnitz in seinen Jahresrückblicken die Daten seines gesellschaftlichen Umgangs, der vorwiegend von fleisigem [sic!] Fischen, Jagen und Parthien, gemeint sind dabei teils mehrtägige Landausflüge, bestimmt ist. Zahlreiche hochstehende Persönlichkeiten, die sich in der Stadt aufhalten, legen Wert auf eine Einladung zu den Babenwohler Teestunden. Das romantische Bodensee-Schloß soll sogar so manche hohe Persönlichkeit zu einer weiten, unbequemen Anreise verleitet haben, allein um dies „capriziöse Idyll“ des Kammerherrn mit eigenen Augen zu sehen.

Als Kämmerer des Herzogs von Sachsen-Coburg-Gotha erfreut sich Poellnitz des Privilegs, einen anfänglich kurz bemessenen Urlaub immer wieder und immer aufs Neue ohne Beeinträchtigung verlängern zu können, bis diese Beurlaubung letztlich an die sechzig Jahre dauert. In seiner Zeit als Herr von Babenwohl engagiert er sich in unterschiedlichen Bereichen, als Gründungsmitglied des Vorarlberger Landesmuseumsvereins ebenso wie als weltlicher Vorsitzender der evangelischen Glaubensgemeinde in Vorarlberg. Am 12. Dezember 1900 stirb Ernst Freiherr von Poellnitz im Alter von 87 Jahren auf seinem Anwesen Babenwohl an den Folgen einer Lungenentzündung. Zwei Tage später wird er auf dem Evangelischen Friedhof in Bregenz beigesetzt.

Nur wenige Jahre später, Anfang August 1906, verkauft die letzte noch lebende Tochter, Adele Fitz-Gibbon geb. Baronin von Poellnitz, den Ansitz Babenwohl mit der gesamten Liegenschaft an den eidgenössischen Benediktinerkonvent aus Beinwil-Mariastein. Die neue Klosteransiedlung erhält den Namen St. Gallusstift.

Literatur

Edle Familien und ihre Wohnsitze in Vorarlberg. Aus den Papieren des in Bregenz verstorbenen Priesters Franz Joseph Weizenegger, in: Bothe von und für Tirol und Vorarlberg, in Fortsetzung vom 4.4. bis 16.5.1831.

Grete Gulbransson, Geliebte Schatten. Eine Chronik der Heimat. Berlin 1936 (ND Bregenz 1986).

Ernst von Poellnitz, Tagebuchartige Aufzeichnungen aus den Jahren 1845 bis 1871. Handschrift (Vorarlberger Landesbibliothek, Hs. 234).

Norbert Schnetzer, Ernst Freiherr von Poellnitz (1813-1900), in: Andreas Rudigier (Hg.), Villa Falkenhorst. Nenzing 2002 (Bludenzer Geschichtsblätter 66+67), S. 105-120.

Eberhard Tiefenthaler, Vorarlberger Landesbibliothek Bregenz. Ehemaliges Benediktinerkloster Sankt Gallusstift. München 1993.

Andreas Ulmer, Die Burgen und Edelsitze Vorarlbergs und Liechtensteins. Historisch und topographisch beschrieben. Dornbirn 1925.

Andreas Ulmer, Die ehemalige Sankt Gallensteinkirche und das heutige Sankt Gallusstift in Bregenz. Historisch-topographische Studie. Dornbirn o. J.

Vorarlberger Landesbibliothek. Festschrift zur Eröffnung am 27. Juni 1986. Lustenau 1986.

Vorarlberger Landesbibliothek, St. Gallusstift, Bregenz. Eröffnung des Kuppelsaales (ehemalige Stiftskirche) am 30. April 1993. Lochau 1993.

Franz Joseph Weizenegger, Vorarlberg, aus den Papieren des in Bregenz verstorbenen Priesters Franz Joseph Weizenegger. In drei Abtheilungen. Bearbeitet und herausgegeben von M. Merkle, Präfekt des k. k. Gymnasiums in Feldkirch. Innsbruck 1839.

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