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Juli 2008 Franz-Michael-Felder-Archiv

Franz Josef Vonbun und Gebhard Weiß im „Kaiser-Album”

Repräsentative Literatur im Jahr 1858


 

Dieses prächtige Album wurde gedruckt, um mit dem Reinerlös den Bau der Wiener Votivkirche zu unterstützen. Die Idee zur Errichtung dieses bekannten, im Stil der Neugotik von Heinrich Ferstel entworfenen Sakralbaus geht auf Erzherzog Ferdinand Maximilian zurück. Nach dem „gescheiterten” Mordversuch an Kaiser Franz Joseph I. vom 18. Februar 1853 rief er zum „Dank an die Errettung Seiner Majestät” zu Spenden auf, um in Wien eine neue Kirche zu errichten. Der Bau sollte als Votivgabe (Dankgeschenk) der Völker der Monarchie für die Errettung des Kaisers errichtet werden. Eingeweiht wurde die Votivkirche nach 23 jährige Bauzeit 1879.

Das „Kaiser-Album” enthält Gedichte in 15 verschiedenen Sprachen der k. k. Monarchie und vielen Dialekten (von Latein bis Hebräisch und Aramäisch, von Schlesisch bis Venezianisch). Die Originalbeiträge wurden in den entsprechenden Original-Typen in der wohl ausgestatteten Wiener Mechitaristen-Druckerei gedruckt. Das Album ist so gleichzeitig fast als „Typenmusterbuch” zu betrachten.

Vorarlberg, das damals mit Tirol eine Verwaltungseinheit bildete, trug Gedichte von zwei Autoren zu diesem Unternehmen bei. Johann Georg Vonbun verfasste den „Toast am Geburtstage des Kaisers” in „vorarlbergisch-alemannischer Mundart”. Gebhard Weiß schrieb das Gedicht „Der Patriot am 23. April 1854” in Bregenzer Mundart.

Johann Georg Vonbun (1824-1870) ist der erste Sagensammler Vorarlbergs. Mit seinen Sammlungen legte er den Grundstein für jede weitere Beschäftigung mit dem anonymen Erzählgut Vorarlbergs.
Von ihm sind nur wenige Gedichte bekannt. Gebhard Weiß (1800-1874), Bregenzer Spenglermeister und Mundartautor, legte mit seinen Gedichten in Bregenzer Mundart eine der ersten Gedichtsammlungen in der Vorarlberger Literatur vor (1872). Gebhard Weiß ist aber schon in den Jahrzehnten zuvor als Mundartdichter in Erscheinung getreten.

Bearbeiter des gesamten Bandes war der damals in der k. k. Staatsdruckerei tätige oberösterreichische Mundartdichter Karl Adam Kaltenbrunner. Zu den bedeutendsten Beiträgern in deutscher Sprache in diesem Album zählten Friedrich Hebbel und Franz Grillparzer. Warum die Wahl auf Vonbun und Weiß fiel, wie das Auswahlverfahren überhaupt von statten ging, lässt sich heute nur noch erahnen.
Zu Berücksichtigen gilt es, dass um 1858 in Vorarlberg nur eine Handvoll Dichter greifbar waren.


Vonbun, dessen erstes Sagenbuch bei den Mechitaristen in Wien gedruckt wurde, und Weiß zählten damals sicher zu den bekanntesten Vorarlberger Dichtern. Zieht man ihre anderen Gedichte zum Vergleich herbei, dann ist die Wahl Kaltenbrunners bei der Suche nach Dichtern, die den Kaiser hochleben lassen sollen, sicher richtig gewesen.

Vor kurzem wurden die Druckvorlagen des „Kaiser-Albums” zum Kauf angeboten. Das Felder-Archiv konnte die Handschriften der Vorarlberger Beiträge in seinen Bestand übernehmen. Zusammen mit dem aufwendig gedruckten Album geben die Handschriften einen überraschenden, bislang nicht bekannten Einblick in das, was vor genau 250 Jahren unter repräsentativer Kunst im Bereich der Literatur verstanden wurde.

 

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