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Februar 2011 Sondersammlungen

Spätbarocke Schönschreibkunst

 


 

 

In der Handschriftensammlung der Vorarlberger Landesbibliothek befindet sich eine sowohl in ihrem Umfang als auch in ihrer ästhetischen Gestaltung beachtenswerte Sammlung von spätbarocken Gebetbuchhandschriften des späten 18. und frühen 19. Jahrhunderts. Zwei Drittel der etwa 70 Handschriften stammen aus dem Bregenzerwald, der auf diesem Gebiet eine herausragende Rolle spielte.


Die durchwegs katholischen Gebetbücher, deren Texte im wesentlichen auf die in der barocken Frömmigkeitswelle weit verbreiteten, gedruckten Erbauungsbücher zurück-gehen, beeindrucken durch ihre kalligraphische Ausgestaltung und die zahlreichen Verzierungen mittels Aquarellminiaturen oder Tuschzeichnungen. Sie sind Zeugen einer volkstümlichen Schönschreibkunst, stammen sie doch vorwiegend aus der Hand von Lehrern, Bauern und Handwerkern, auch von Frauen und zuweilen gar von Kindern.

Als Schreibwerkzeug diente meist ein Gänse- oder Schwanenkiel, als Beschreibmaterial fast ausschließlich Papier, auf das mit Tinte, Tusche oder Aquarellfarben geschrieben und gemalt wurde. Dabei galt es darauf zu achten, den Planbogen so zu beschreiben, bei dem für Gebetbüchern üblichen Oktavformat befinden sich je acht Seiten auf Vorder- und Rückseite des Bogens , dass jede Schriftseite nach dem Falten richtig platziert war. Erst danach kamen die noch losen Bogen zum Buchbinder.

Dort wurden die Bogen gefaltet, fadengeheftet, gepresst, geleimt und beschnitten, sodann in Leder, selten in Pappe gebunden. Meist weisen die Ledereinbände prachtvolle Gold- oder Blindprägungen auf Deckeln und Rücken sowie Goldschnitt auf allen Schnittflächen auf und sind mit geschmackvollen gekleisterten Vorsatzpapiere ausgestattet.

Diese Zeugnisse ländlichen Schrifttums entstanden wohl aus einer tiefen Volksfrömmig-keit heraus, aus einem alle Daseinsbereiche umschließenden Glaubens- und Gebetsleben und aus einer im Bewusstsein der bäuerlichen Landbevölkerung ruhenden lustvollen Ausdrucksfreude. In jedem Fall lässt sich erkennen, dass die Religiosität der bäuerlichen Bevölkerung bis tief ins 19. Jahrhundert hinein im barocken Gebetsleben wurzelte.

 

 

 

 

 

 

Deutsche Handschrift auf Papier; [90] Bl.
Mit kalligraphischem Titel, 6 kleineren und 2 größeren Miniaturen, Text in gelbe, rot konturierte Rahmen gefasst, zahlreichem Buchschmuck in Gold und Farben.
Dunkelbrauner, geglätteter Kalbsledereinband mit goldgeprägten Deckelbordüren, reicher Rückenvergoldung und dreiseitigem Goldschnitt.
 

 

 

 

 

 

 

 

Betbuch enthaltend Morgen, Abend, Meß, Beicht und Comunion Gebeter nebst andern schönen Gebetern zusammen geschriben im Jahr 1790.

Betbuch enthaltend Morgen, Abend, Meß, Beicht und Comunion Gebeter nebst andern schönen Gebetern zusammen geschriben im Jahr 1790.

 

 

Höhepunkt ländlicher spätbarocker Schriftlichkeit
Zu den bedeutendsten Beispielen Bregenzerwälder Kalligraphie zählen die in Egg und Umgebung ausgestellten spätbarocken Schulzeugnisse, die in den Jahren um 1800 von den dortigen Trivialschullehrern Thomas von der Thannen und Johann Konrad Waldner angefertigt wurden.
Sie sind insofern einzigartig, als nirgends sonst im Alpenraum kalligraphisch ausgeschmückte Schulzeugnisse bekannt geworden sind. Ihr künstlerischer Gehalt, ihre figürliche und ornamentale Ausgestaltung und ihre Farbenpracht zeugen von einem ausgeprägten Kunstsinn der beiden Schreiber. Hier präsentiert sich das barocke Schönheitsideal im Bereich der Schriftlichkeit auf höchster Stufe.
 

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